Bemerkungen | Dokumentenabschrift: V 0054a
1957
Titelblatt
Die europäische Geistigkeit
(Salzburg 1957)
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Die schwierige Lage des Erziehers von heute.
Traditionelle Normen u. Formen erschüttert.
Aber auch Vorzüge der Lage! Informations-
möglichkeiten wie noch nie. Der Kommunis-
mus ist nicht nur polit.-gesellsch.-wirtsch.
Phänomen. Er ist auch ein pädagogisches
Experiment von nie dagewesenen Ausmassen.
Der „Erziehungs-Staat“. Das „ richtige Bewusst-
sein“ als Basis des Gemeinwesens.
Der Anblick dieses Experiments ruft [ Neid-
empfindungen hervor. Das eine und einzige
„Menschenbild“ = „Leitbild“. Einzig, weil
wissenschaftlich begründet. „Humanität“.
Unsere Zersplitterung.
[ widerspruchsvolle Empfindungen hervor. Ableh-
nung der Gewaltsamkeiten, aber Anerkennung eines
allerdings bloss formalen Vorzuges, den die
kommunist. Pädagogik vor derjenigen des Wes-
tens voraus habe. Die Einheit und Einigkeit
des „Menschenbildes“ = „Leitbildes“.
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Wenn in unseren Tagen so oft und gerne der
Geist Europas, der Geist des Abendlandes
beschworen wird, so ist der Grund dafür
den Bedürfnissen
nicht etwa in einem Gebot der Pietät zu
suchen, die uns Menschen der westlichen
Welt aufforderte, uns auf die Vorausset-
zungen und Grundlagen unserer geistig-sitt-
lichen Existenz zu besinnen. Eine solche Er-
klärung ist deshalb unannehmbar, weil man bei uns, zumindest
im westlichen Deutschland, nicht so wohl
eine Verstärkung als vielmehr eine empfind-
liche Schwächung des geschichtlichen Be-
wusstseins beobachtet. Von dieser Schwächung
aber wird selbstverständlich die Erinnerung
an die Ursprünge unseres geistigen Seins
mit betroffen. Es muss also ein anderer Grund
sein, der uns veranlasst, uns von dem Geist
des Abendlandes Rechenschaft zu geben. Und
diesen Grund zu finden ist nicht eben
schwer. Er ist gegeben durch die wahrhaft
ungeheuerlichen Bedrohungen, der der abend-
ländische Geist in dieser weltgeschichtlichen
Stunde ausgesetzt ist. Längst ist ja erkannt,
dass der Kommunismus weit mehr ist als
eine bloss politisch-gesellschaftliche Bewe-
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gung. Er interpretiert sich selbst hinsicht-
lich der Tragweite des von ihm Erstrebten
durchaus richtig, wenn er sich als eine
Umgestaltung der Dinge versteht, die ihren
Anspruch nach nichts Geringeres als das
Ganze der Menschheit, und dies Ganze in
der Gesamtheit seiner Wesensäusserung, er-
fasst und aufwühlt. Dieser wahrlich um-
fassende und radikale Angriff ist es, an-
gesichts dessen die abendländische
Menschheit garnicht anders kann als
sich fragen, was denn eigentlich dasjenige
sei, was sie gegen diesen Angriff zu ver-
teidigen habe. Sie glaubt eine Bestands-
aufnahme dessen vornehmen zu sollen,
was der Gefahr der radikalen Vernichtung
ausgesetzt.
Im Allgemeinen pflegt diese Bestands-
aufnahme die Gestalt einer geschichtli-
chen Rückbesinnung anzunehmen. Man
greift zurück auf die Wurzeln der abend-
ländischen Geistigkeit, wie wir sie als Antike,
u. Christentum in ihrer Rezeption durch den
Kreis der das Mittelalter tragenden germanisch-
romanischen Völker vor uns haben, und sucht
sich von dem unvergänglichen Wert desjenigen
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zu überzeugen, was von diesen Ursprüngen her
auf uns gekommen sei. Man möchte sich
von der Unverlierbarkeit und dessen überzeugen, was von so erlauchten
Ahnen her auf uns gekommen sei. Man
will sich auf historischem Wege von den
„Grundwerten“ des Abendlandes überzeugen.
Ich muss gestehen, dass mir die Wirk-
samkeit und Durchschlagskraft dieser histo-
rischen Weise des Argumentierens zweifel-
haft ist. Zum ersten wirkt sie deshalb nicht
überzeugend, weil sie zu der erwähnten
Schwächung des historischen Bewusstseins
in allzu auffälligem Widerspruch steht.
Eine historische Erinnerung, die nicht um ihrer
selbst willen, sondern als Mittel zum Zweck
der moralischen Selbstbehauptung heran-
geholt wird, entbehrt allzusehr der Echt-
heit und Eigenständigkeit, um das ge-
wünschte moralische Fundament bilden
wenn wir die
zu können: Sidann aber: auch eine um
geschichtliche Erinnerung um ihrer selbst willen
ihrer selbst willen gesuchte und gepflegte
suchen und pflegen
geschichtliche Erinnerung braucht das noch
lange nicht zu besagen, das die mit Interesse
betrachtete und erforschte Vergangenheit
auch in uns selbst als wirkende Kraft fort-
lebt. Es könnte daoch sein, dass sie unsere
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verstehende Teilnahme hervorriefe, ohne
dass wir uns zu dem von ihr Geschaffenen
als einem für uns verpflichtenden Erbe zu
bekennen die Nötigung verspüren. Es
gibt einen Historismus, der bei dem Ver-
gangenen mit lebhaftem Mitgefühl ver-
weilt, ohne aus ihm Richtlinien für
das eigene Dasein entnehmen zu können
oder zu wollen.
Es ist, so scheint mir, ein anderer Weg,
den wir einzuschlagen haben, wenn wir uns
der abendländischen Geistigkeit in einer
Form versichern wollen, die mehr ist als
andächtige Versenkung in das Dahinge-
gangene, die uns diese Geistigkeit als
die Seele unseres gegenwärtigen abendlän-
dischen Daseins so zum Bewusstsein bringt,
dass wir uns als sowohl in ihr und durch
sie lebend als auch als sie zu wahren ver-
pflichtet empfinden. Und dieser andere
Weg – er wird uns seltsamer Weise, durch
eben die Macht vorgezeichnet, gegen
Angriff wir die abendländische Geistigkeit.
Derselbe Kommunismus, der für den Geist
des Abendlandes eine Bedrohung von noch
nie dagewesener Schwere bedeutet, hat zu-
gleich das allerdings ungewollte Verdienst,
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durch das, was er lehrt, und durch das, was
er tut, das Abendland gleichsam auf sich
selbst zurückzustossen, es für die Grundzüge
seines Wesens sehend zu machen, ihm die
Zeugnisse seines Wertes und die Quellen seiner
Kraft sichtbar zu machen. Er tut dies al-
les, in dem er in sich das Gegenbild ver-
wirklicht, von dem sich Eigenart und Eigen-
wert des Westens unverkennbar abheben. Er
liefert uns die Folie, vor die gehalten die
abendländische Wertwelt in ihrem ganzen
Glanze erstrahlt.
Wir fragen uns, worauf es beruht, das Theorie
und Praxis des Kommunismus zu uns in
diesem ausgesprochenen Verhältniss der Gegen-
bildlichkeit stehen. Es beruht paradoxer
Weise darauf, dass wir in Gestalt dieses
Kommunismus nicht etwa eine Gegen-
macht uns gegenüber haben, die aus fremden
und fernen Ursprüngen hervorgegangen wäre
und gleichsam von aussen her gegen
unsere geistige Welt heranzöge. Der Kom-
munismus macht uns gerade deshalb so
viel zu schaffen, weil er, hinsichtlich seiner
Genealogie betrachtet, sich als ein Abkömm-
ling eben jener abendländischen Welt er-
weist, die er jetzt zu vernichten sich an-
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schickt. Diese Genealogie führt bekannt-
lich von Stalin über Lenin, Marx und En-
gels zurück bis auf Hegel und die Aufklä-
rung. Er hat Grund und Recht, sich den
Nachfahren dieser abendländischen Ah-
nen zuzuzählen.
Und nun ist es gerade diese Gemeinsam-
keit der Herkunft aus der es sich erklärt,
dass westliche und östliche Geistigekeit,
westliche Daseinsdeutung und östliche
Ideologie sich wie Bild und Gegenbild ge-
entsprechen
genüberstehen. Zu einer so Ge-
genbildlichkeit könne sich nur geistige
Mächte , die sich aneinander
und durcheinander, in wechselseitiger
Auseinandersetzung, in letzter Entschieden-
heit zugeschärft haben. Hegel behält
Recht, wenn er den sich so geschichtlich
herausbildenden Antithesen das Salz der
geschichtlichen Entwicklung. Kommunis-
mus und abendländischer Geist sind
wirklich feindliche Brüder. Der Kommu-
nismus hält dem Abendlande den Spie-
gel vor, in dem es erkennen kann, was
aus dem Menschen werden kann und
werden wird, wenn er gewisse Grundten-
denzen der abendländischen Geistesent-
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wicklung über den Punkt hinaus vor-
treibt, bis zu, dem sie Recht haben und das
Heil wirken können. Er wirkt erhellend durch
rücksichtslose Radikalisierung. Und
die Selbstbesinnung des abendländischen
Geistes kann nicht besser zu Werke gehen
als so, dass sie in diesen Spiegel schaut
und sich fragt, wie es kommen konnte, das
die edelsten und förderungswürdigsten unter
den seiner Vergangenheit beseelenden
Triebkräften sich zur Fratze menschlicher
Selbstverderbnis verzerren könne. Wird
so vorgegangen, dann werdn Kritik am
Kommunismus, Selbstverständnis und Selbst-
kritik zu einem unauflösbaren Ganzen.
Ich entwickle die östlich-westliche Anti-
thetik an einem Grundbegriff, der in uns.
Verhandlungen
westdeutschen Auseinandersetzungen beson-
ders oft herangezogen wird, um das uns in der
Auseinandersetzung mit dem Osten Obliegen-
de näher zu bestimmen. Er wird charakteris-
tischer Weise besonders oft in den Kreisen der
deutschen Erzieherwelt laut. Man argumen-
tiert folgendermassen.
Der Kommunismus habe seine geistigen
Eroberungen im Allgemeinen und besonders in-
nerhalb der Erzieherwelt dem Umstande zu
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verdanken, dass er durch die ihn begründende
ar-
Theorie ein bestimmtes, allseitig durchgebil-
beitetes
detes „Menschenbild“, dass für den Erzieher
zugleich „Leitbild“ sei, ausformen und
für vorbildlich erkläre. Daran schliesst sich
die Frage an, ob der Westen in der Lage sei,
sein eigenes Wesen und Wollen in einen
ebenso auszuarbeitenten „Menschenbild“
zusammenfassen und als massgebliche
Norm der Daseinsgestaltung überhaupt und
zumal der erzieherischen Bemühung auf-
zurichten.
Man erkennt mit einem Blick: das
ist ein ausgesprochen abendländische
Fragestellung. Herkommend von der An-
tike. Der Grieche der „Anthropotolast“ (W.
Jäger) Aufgenommen durch alle „huma-
nistischen“ Bewegungen, zumal den Neu-
humanismus W. v. Humboldts. Fort-
dauernd bis in die pädagogischen Diskussi-
onen der Gegenwart. Und der Kommunismus
pocht auf diese Herkunft!
Aber die Frage: was wird aus die-
sem gemeinsamen Leitgedanken im
Westen und im Osten? Dass hier ein ent-
scheidender Unterschied vorliegt, das
wird von den westlichen Erziehern nicht
nur als Tatsache vermerkt, sondern man-
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cherorts auch mit entschiedenem Miss-
behagen zur Kenntnis genommen. Die
grundlegenden Erwägungen sind folgende:
Einheitlichkeit und Einzigkeit des
kommunistischen „Menschenbildes“ –
und Mehrzahl der west-
lichen Menschenbilder. Folge: ein
Minus an überzeugender Kraft, an ver-
einheitlichender Wirkung, an men-
schenprägender Wirksamkeit.
Bevor wir nach dem Recht dieses Ur-
teils fragen, sehen wir zu, worauf die
Einheit und Einzigkeit des kommuni-
stischen „Menschenbildes“ berugt.
Einheitliche, als allverbindlich aner-
kannte Menschenbilder hat es in der
Vergangenheit viele gegeben. Sie beruhten auf der Einheit-
lichkeit der das ganze Leben umfassenden
religiösen, sittlichen, staatlich-gesellschaftlichen
Überlieferungen und Einrichtungen. Die Grund-
lage des kommunistischen Menschenbildes ist
eine andere. Sie heisst: die Wissenschaft!
In dem wir so von dem Wert der Bildung zu
dem der Wissenschaft weitergehen, verbleiben
wir anscheinend weiterhin im Raum
abenländischer Überlieferung von höchstem
Rang. Wissenschaft als Streben nach der
um ihrer selbst willen gesuchten Wahr-
heit! Wiederum seit den Griechen nicht
mehr verloren. Humanität und Wissen-
schaft im Bunde.
Von dem Bunde mit der Wissenschaft
scheint die Bildung nun Gewinn zu ha-
ben. Denn: könnte die Einheit und Ein-
zigkeit des „Menschenbildes“ besser gewähr-
leistet werden als durch seine wissen-
schaftliche Grundlegung?! Es gibt über
das Seiende, über das All der Wirklichkeit
nur die eine, einzige, die allein gültige
Wahrheit. Und Wissenschaft ist nur dann
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Wissenschaft, wenn und so weit sie zu dieser
einen Wahrheit den Zugang findet. Gibt es
also eine Wissenschaft, die die Wahrheit über
das „Menschenbild“ zu ermitteln im Stande
ist, dann ist mit ihrer eigenen Einheit und
Einzigkeit auch schon die Einheit und Ein-
zigkeit des auf sie sich gründenden „Men-
schenbildes“ gesichert. Für den Erzieher
aber ist diese Hilfeleistung der Wissenschaft
aus dem Grunde doppelt willkommen, weil
sie in ihrer alleinigen und allumfassenden
Gültigkeit nicht nur das einzig gültige
Leitbild der Erziehung aufrichtet, sondern
auch überdies noch den geistigen Gehalt
darbietet, den der zu erziehende Mensch in
sich aufzunehmen hat, auf das er durch
sich das massgebende „Menschenbild“ reali-
siere. Eine unvergleichliche Wissenschaft,
die zugleich dem Menschen das Bild
seiner Selbstvollendung vorhält und ihn
dies Bild zu realisieren die Möglichkeit
gibt! Glücklich der Erzieher, der sich einer
solchen Hilfskraft erfreuen darf!
Aber die Gültigkeit dieses „Men-
schenbildes“ steht und fällt mit der
Gültigkeit der „Wissenschaft“, aus der es
sich herleitet. Wie aber ist es mit dieser
bestellt?
Wir haben, wenn wir diese Frage beantworten
wollen, es garnicht nötig, auf den Inhalt
dieser „Wissenschaft“. Es genügt, auf die
Art und Weise hinzublicken, in der dieser
Wissenschaft die Alleingültigkeit gesi-
chert werden soll. Sie ist <..> durch das Ver-
hältnis unbedingter Solidarität geeint
mit dem polit. System, das an ihr seine
ideelle, lies: „ideologische“ Grundlage.
Diese Solidarität brauchte ja nicht zu
hindern, dass die tragende Idee Theorie
Motive
nur durch ideelle Argumente, d.h. durch
das Gewicht ihrer Gründe, durch die Über-
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zeugungskraft ihrer Selbstentfaltung, für
sich <....>. Aber wir wissen, dass faktisch diese
Enthaltung nicht geübt. Der Staat, dem
sie zur Grundlage dient, begnügt sich
nicht damit, sie durch ihren inneren Ge-
halt für sich arbeiten zu lassen. Der Aus
dem Satz, dass die Wahrheit über das Wirkliche
nur eine einzige sei, wird von ihm da-
hin um das Recht, vielmehr die Pflicht
hergeleitet, durch den Einsatz aller
Machtmittel dafür zu sorgen, dass nichts
als diese einzige Wahrheit an die
Menschen herankommt, dass also alle
ihr entgegenstehenden Meinungen, Be-
hauptungen, Lehren daran gehindert
werden, überhaupt zu Worte zu kommen.
Und für diejenige und einzige
Wahrheit alle ihm verfügbaren Macht-
mittel einzusetzen hat dieser Staat
ja um so mehr Grund, als sie als
wesentlicher Bestandteil die Recht-
fertigung und Begründung eben die-
ser sie so protegierenden, ja morpho-
lisierenden Staates in sich schliesst.
Also wahrhaftig ein Bündnis auf Ge-
genseitigkeit! Der Staat garantiert der-
jenigen Wissenschaft das Monopol der Vertre-
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tung und Verbreitung, die ihm den
Nachweis der unangreifbaren, konkurrenz-
losen Richtigekeit, d.h. Realisierungs-
würdigkeit liefert.
Aber nun fragt sich, ob eine dergestalt
durch die Staatsgewalt monopolisierte
und gegen Widerspruch abgeschirmte
„Wissenschaft“ noch dieses Namens würig
ist. Sie ist es nicht, und zwar aus dem
einfachen Grunde, weil durch diese Form
dr Stützung und Auszeichnung die Be-
dingungen zerstört werden, von denen die
Möglichkeit der Wahrheitsfindung und
damit die Möglichkeit echter Wissen-
schaft abhängt. Den Weg zur Wahrheit zu
finden hat der menschliche Geist nur
da die Möglichkeit und die Aussicht,
wo dem Kampf um die Wahrheit, der
und Auseinandersetzung der
um die Wahrheit wetteifernd bemühten
Meinungen, Vermutungen, Hypotheken, Theorie
keine Schranken gesetzt sind. Nur wo
Frage Zweifel, Widerspruch ungehindert
zu Worte kommen können, nur wo jede
sich als wahr ausgebende Behauptung
sich dem Kreuzfeuer anders lautender
Behauptungen auszusetzen hat – nur
da kann die Wahrheit, vielleicht nach
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langem Hin und Her, in Sicht kommen
und in Sicht gebracht werden. Eine
Doktrin, die durch staatliche Gewalt die-
ser dialektischen Gespräch enthoben
und dogmatisiert wird, büsst damit
automatisch den Anspruch ein, als Wis-
senschaft anerkann zu werden.
Ergebnis: mit den Reden von „Bil-
dung“, „Wissenschaft“, „Wahrheit“ wird
äusserlich an der abendländ. Tradition fest-
gehalten, innerlich wird sie preisgegeben, ja
in ihr Gegenteil verkehrt. Der Grund dieser Per-
vertierung ist klar. Die Findung der Wahrheit
setzt das Suchen der Wahrheit voraus. Dieses wird
inspiriert durch den Willen zur Wahrheit. Die
Machthaber des Kommunismus setzen an dessen
Stelle den Willen zur (politischen) Macht. Damit
ist die Verfälschung jenes Willens entschieden.
Die Idee der Wahrheit verleugnen heisst aber:
das Abendland verleugnen.
Nun aber zeigt sich an dem Erörterten,
dass die Verleugnung der Idee der Wahrheit
notwendig hand in Hand geht mit der
Verleugnung einer zweiten Idee, die nicht we-
niger in die Fundamente der abendlän-
dischen Geistigkeit eingesenkt ist. Wir hör-
ten, dass die Wahrheit nur dort gefunden
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werden kann, wo die Vielzahl der Meinun-
gen, die in den Wahrheitssuchenden leben,
ungehindert und unverkürzt zu Worte
kommen kann. Das, was damit den Wahr-
heitssuchenden gegründet wird, ist nichts an-
deres als: die Freiheit – in diesem Falle die
Freiheit des Suchens, Fragens, Behauptens,
Bezweifelns, Widersprechens. So zeigen
sich die Idee der Wahrheit und die Idee
der Freiheit unlöslich miteinander ver-
bunden. Und zwar ist diese Verbunden-
heit eine wechselseitige. Nicht nur kann,
wie gezeigt, die Wahrheit nur da gefunden
werden, wo dem Geist die Freiheit der Wahr-
heitssuche gelassen ist – es kann auch
die Freiheit nur da gewahrt werden, wo die
Wahrheit unverkürzt zu Worte kommen
kann. Denn die Freiheit ist ein
sicherer Besitz, sie ist stets bedroht durch
die freiheitsfeindlichen Mächte – mögen
diese nun im Innern des Menschenherzens
oder in den äusseren Ordnungen des Lebens (z.
B. den politisch-gesellschaftlichen) ihr Spiel
treiben. Diese Gegenmächte zu bekämpfen
bedarf es der Whrheit, die ihr Spiel auf-
deckt, ihre Praktiken entlarvt, ihre Win-
kelzüge paralysiert. Nur da ist die Freiheit
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gesichert, wo die Wahrheit über die ihr
drohenden Entstellungen und Verkehrungen
vorgenommen und beherzigt wird. Deshalb:
Wahrheit und Freiheit stehen und fallen
miteinander. Und die kommunistische
Welt demonstriert uns ad <.....>, wie
notwendig und gründlich sie mitein-
ander fallen.
Und noch eine dritte Idee zeigt sich bei
näherem Zusehen mit den beiden be-
trachteten ebenso unlöslich verbunden.
Wenn der Kommunismus die Wahrheit
und die Freiheit miteinander unterdrückt,
so tut er dies, wie bemerkt, aus der Kraft des
politischen Willens, er tut es mit den
Machtmitteln des Staates. Aber auch in
Bezug auf den Staat gibt es eine alte und
mächtige abendländische Tradition,
und aber <....> haben wir festzuhalten, dass
auch hier der Kommunismus mit allen
Mitteln den Schein hervorzurufen versucht,
als stehe er im vollsten Einklang mit die-
ser Tradition, ja als sei er in Wahrheit ihr
einziger ehrlicher Nachlassverwalter.
Über dem abendländischen Staat leuchtet
seit der Antike, seit Platon u. Aristoteles,
die Idee der Gerechtigekit. An dieser Idee
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soll sich jede positive Rechts- und Staats-
ordnung messen lassen, wenn über ihren
Wert zu entscheiden ist. So wundern wir
uns den nicht, dass der kommunistische
ständig d. Schein erweckt,
Staat alles darauf anlegt, als sei der Staat,
der, wie gehört, Wahrheit und Freiheit unter-
drückt, gleichwohl ein Staat der Gerechtigkeit,
ja in Wahrheit der einzige Staat, der der Ge-
rechtigkeit zur vollkommenen Realisie-
rung verhelfe. Er behauptet, Rechts-Staat“
zu sein, womit er sich der Idee der Gerechtig-
keit ausdrücklich. Daher das ganze Gaukel-
spiel der Schau-Prozesse usw. Es bedarf nicht
des Nachweises, dass dies alles nur Fassade
ist, hinter der der Staat der nackten Gewalt-
anwendung sein Unwesen treibt. Also auch
hier die Pervertierung der abendländischen
Idee der Gerechtigkeit, die man gleichwohl
ständig auf den Lippen führt. Und auch
in dieser Pervertierung zeigt es sich schla-
gend, wie unlöslich die Idee der Gerech-
tigkeit mit den beiden anderen Ideen,
Wahrheit und Freiheit. Es zeigt sich in
der negativen Form, dass, wo Wahrheit
und Freiheit vergewaltigt werden, es
unweigerlich auch um die Gerechtigekit
geschehen ist – und umgekehrt. auch
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Recht und Gerechtigkeit sind Güter,
die der Mensch nicht als unbedrohtes Ei-
gentum in Besitz nehmen kann, sondern
die mit ständiger Wachsamkeit vor
dem Umschlag in Ungerechtigkeit bewahrt
werden müssen. Der „Kampf um das
Recht“ ist ebenso unerlässlich wie „der
Kampf um die Wahrheit“. Den einen wie
den anderen unterbinden heisst wie die Wahr-
heit so die Gerechtigkeit der Deprevation
ausliefern. Wie aber sollte der Kampf um
das Recht in einem Gemeinwesen geführt
werden können, in dem Wahrheit und Frei-
heit unterdrückt werden! Die Deprevation
des Rechts muss im Geist der Wahrheit auf-
gedeckt, und diese Wahrheit muss in völli-
ger Freiheit ausgesprochen werden können,
damit sie mit Erfolg bekämpft, damit
die Gerechtigkeit zum Sieg geführt werden
könne. Wahrheit und Freiheit unterdrücken
heisst auch die Gerechtigekeit der Vergewal-
tigung ausliefern. Also auch umgekehrt:
Wahrheit und Freiheit können nur in einem
Gemeinwesen gedeihen und wirksam wer-
den, dass seine Ordnungen nach Massgabe
der Idee der Gerechtigkeit einrichtet. Wenn
die Gerechtigkeit mit der Wahrheit und
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der Freiheit in dem aufgezeigten Sinne
solidarisch ist, dann wird das auf
Gedrechtigkeit bedachte Gemeinwesen
alle stun, damit durch seine Ordnungen
Wahrheit und Freiheit an keiner Stelle
beengt, sondern an gerecht und zur Be-
tätigung aufgerufen werden.
So sehen wir, wie der Kommunismus
die abendländische Werttrias Wahr-
heit, Freiheit, Gerechtigkeit aufgreift und
auf den Lippen führt, aber durch seine
Taten dem Schicksal der greulichsten
Vergewaltigung und Pervertierung aus-
liefert. An diesem dunklen Gegenbilde
wird uns nicht nur die Kostbarkeit der
gesamten Ideen, sondern auch ihre
untrennbare Zusammengehörigkeit
offenbar. Die die Lehre, die das Abend-
land der weltgeschichtlichen Stunde zu
entnehmen hat. Aufruf in sich selbst durch Erlebnis
der krassesten Negation!
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Aber in dem wir so die Ideen trias Wahr-
heit – Freiheit – Gerechtigkeit in ihrer Rein-
heit als Kern abendländischer Geistigekit
reklamieren – haben wir damit nicht
auch schon das eine und einheitliche „Men-
schenbild“ herausgearbeitet, welches das
Abendland dem „Menschenbild“ des Kom-
munismus entgegenzustellen habe? Ist
nicht der abendländische Mensch dem-
jenigenMenschen gleichzusetzen, der
an den Ideen der Wahrheit, Freiheit, Ge-
rechtigkeit seine Leitsterne hat? Damit
hätten wir dann in d. Tat das gegenüber zwei-
er „Menschenbilder“. Dort das Bild des auf die
Doktrin des dialektischen Materialismus schwö-
renden und sein Leben gemäss den Forde-
rungen dieser Doktrin einrichtenden Menschen
- die Menschen des proletarischen „Kollek-
tivs“ – hier das Bild des auf die Wertideen
der Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit schwö-
renden und sein Leben gemäss diesen Wert-
forderungen einrichtenden Menschen – des
Menschen der freien Welt!
Allein in dieser Gegenüberstellung muss
ein Mangel an Symmetrie auffallen. Auf
der Seite des Kommunismus der Mensch, der
einer allseitig durchgebildeten „Wissenschaft“
seine Anweisungen entnimmt – auf der
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Seite des Westens der Mensch, der zwar
die genannten Grundwerte als verbind-
lich anerkennt, nicht aber eine ausge-
baute Doktrin, in der diese Grundwerte
zu einer umfassenden Daseinsdeutung
ausgebaut wären. Verglichen mit dem
östlichen Gegenüber wirkt, wie man zu-
geben wird, das westliche Menschenbild
einigermassen unbestimmt.
Und diese Unbestimmtheit hat, wie
man bei näherem Zusehen bemerkt
ihren guten Grund. Sobald man näm-
lich darangeht, die besagten Grundwerte
inhaltlich näher zu bestimmen, mit
konkretem Gehalt zu erfüllen, stellt sich
heraus, dass dieser Gehalt keineswegs
von der Eindeutigkeit und Einzigkeit ist,
durch welche sich die Doktrin des Kom-
munismus so vielen empfiehlt. Im
Gegenteil: sobald wir mit der inhalt-
lichen Ausführung beginnen, sehen
wir uns der Tatsache gegenüber, dass
diese Ausführung uns in das Nebeneinan-
der, ja Gegeneinander der Meinungen, Über-
zeugungen, Bekenntnisse, Programme ver-
setzt. Es zeigt sich, dass man die Werte, der
die mit den Worten „Wahrheit“, „Freiheit“, „Gerech-
21
mit gleicher Über-
tigkeit“ bezeichnet werden, aus vollem Her-
zeugtheit
zen bejahen und doch in dem, was man sich
unter diesen Worten des vorstellt, beträchtlich
auseinandergehen kann. Ja, es zeigt sich,
dass gerade in der inhaltlichen Ausfüllung
dieser Ideen die prinzipiellsten unter den
die Menschen entzweienden Gegensätzen
mit besonderer Prägnanz hervortreten. Je
höher im Rang die Werte, um so prinzi-
pieller die etwaigen Differenzen in der Inter-
pretation dieser Werte!
Wir vergegenwärtigen uns das hier im
Allgemeinen Ausgesagte an dem kon-
kreten geistigen Leben der westlichen „frei-
en“ Welt. Wir überzeugen uns davon, dass
die nähere Bestimmung der Grundwerte sich
nach Massgabe der Gruppen, Überzeugungen,
Bekenntnisse Programme entscheidend ab-
wandelt.
Forts. „Wertwelt“ S. 20-22.
Blickt man auf diese inhaltlichen Dif-
ferenzierungen, so könnte man zu der Mei-
nung kommen, dass die Gemeinsamkeit der
Bejahung von „Wahrheit“, „Freiheit“, „Gerech-
tigkeit“ nicht einer Einheit der Gesinnung
zur Grundlage dient, sondern den Boden für
eine tiefgehende, weil denkbar prinzipielle
22
Entzweiung der Menschen bilde.Und dieser
Entzweiung scheint nichts so sicher zum
Opfer zu fallen wie die erhoffte Einheit und
Einzigkeit des „Menschenbildes“. Denn
darüber ist ja kein Zweifel möglich: alle
gegensätze, die in der In Ausfüllung der
Grundwerte zu Tage treten, sind als solche
auch und erst recht Gegensätze in der
Konkretisierung des „Menschenbildes“.
Wir wiesen darauf hin, dass auf d. Seite
des Kommunismus die Einheit und
Einzigkeit des Menschenbildes ihre Grund-
lage habe an der Einheit und Einzig-
keit der Doktrin, aus der einerseits dies
Menschenbild hergeleitet werde und an
nach
der andererseits der auf diesem Menschen-
geformte
bild verpflichtete Mensch seine weltan-
schauliches Grundbekenntnis, seine Le-
bensnorm habe. Nun, die verschiedenen
Wertinterpretationen, deren Gegensätzlichkeit
uns beschäftigte, sind ja ihrerseits gleichfalls
hergeleitet aus den verschiedenen „Weltan-
aus denen ihren inhaltlichen Er-
schauungen“, die dieser Werten innerhalb ihrer
füllung erhalten,
selbst ihren Platz anweisen, und diese Welt-
die
anschauungen sind gleichfalls des Grundbe-
kenntnisse, die Lebensdeutungen, an die sich
nach dem
zu halten der auf das betrefenden Menschenbild
23
geformte verpflichtet
verpflichte Mensch angehalten wird. In
der Mehrzahl und Gegensätzlichkeit der
Wertinterpretationen findet die Mehrheit
und Gegensätzlichkeit der „Menschbil-
der“ ihren denkbar prägnantesten Ausdruck.
So sehen wir im Blick auf die westliche
Welt die Einheit des zugehörigen „Men-
schenbildes“ als Fata Morgana zerge-
hen.
Anscheinend ein depremierendes Er-
gebnis! verdeckt durch einen
nur verbalen, also scheinhaften consensus. Allein
Beides als einander so widersprechend oder aus-
schliessend anzusehen sollte uns schon eine
vorausgegangene Überlegung abhalten. Wir
sahen, dass das Vordringen zur Wahrheit und
damit auch der consensus über die Wahrheit
nur da möglich ist, wo zunächst einem den
dissensus über das, was wahr ist, die Möglichkeit,
ja den Anreiz zu völlig ungehinderter Ent-
faltung gegeben ist. Diesen dissensus un-
terdrücken heisst auch die Möglichkeit der
Wahrheitsfindung unterdrücken. Die Freiheit,
die auch die Freiheit zum dissensus ist, ist
Bedingung der Findung der einen und ein-
zigen Wahrheit. Dieser Gedanke überträgt
sich auf das Ganze unseres Problems. Gewiss
24
trifft es zu, dass auch an der Prinzipien-
farge, was „Wahrheit“, „Freiheit“, „Gerechtig-
keit“ nach Wesen und Ursprung eigentlich
sind, sich der kräftigste dissensus entzün-
det. Allein dass auch dieser dissensus nicht
unterbunden werden darf, sondern getragen
werden, ja gefördert und ausgetragen werden
muss – dies eben liegt auch im Sinn der
genannten Grundwerte. Es hiesse dem Geist
der Wahrheit, der Freiheit, der Gerechtigkeit
schnurstracks zuwiderhandeln, wollte man
dem dissensus dadurch ein Eind Ende be-
reiten, dass amn eine der die genannten
Werte betreffenden Auslegungen dogmatisier-
te, monopolisierte und den Konkurrierenden
dem Mund verböte.
In Wahrheit stehen also dissensus und
consensus zueinander nicht im Verhältnis
des ausschliessenden Gegensatzes. Es liegt
im Sinne der zur Diskussion stehenden
Grundwerte, dass sie, richtig interpretiert, den
Schein dieses ausschliessenden Gegensatzes auf-
heben und die Gebundenheit des einen an
das andere, den dissensus als Voraussetzung des
Durchdringens zum consensus, sichtbar machen.
Keine Rede ist davon, dass der dissensus den
consensus ausschlösse. Nur auf dem Weg über
den dissensus ist der consensus erreichbar.
25
Daraus ergibt sich, in welchem Sinn der
dissensus durchgefochten werden muss. „Lie-
bender Streit“ (Jaspers), berihend auf
dem Wissen um die innere Zusammenge-
hörigkeit der widereinander Stehenden. Nicht
ein beziehungsloses Nebeneinander, noch we-
niger ein ausschliessend – feindseliges Ge-
geneinander, sondern ein Sichverbunden-
wissen auch im Gegeneinander – Angehen.
Einheit in der Polyphonie. Es ist das Gross-
artige an den erörterten Grundwerten, dass
diese Einheit im Widereinander nicht bloss
offen lassen, sondern postulieren.
Und jetzt tritt der Gegensatz, und zwar
der wirklich ausschliessende Gegensatz
zum kommunistischen Lebenssystem in
letzter Prägnanz hervor. Dass es die Trias der
Grundwerte defact verleugnet, das äussert
sich aufs schärfste in der Tatsache, dass es die
Polyphonie der Überzeugungen zu Gunsten
der Uniformität im Zeichen eines durch den
Staat monopolisierten Dogmas unterdrückt.
Ein consens, erzwungen durch gewaltsame
Auslöschung des dissensus – und das
heisst in Wahrheit: der äussere Schein eines
consens, hinter dem der gewaltsam verdrängte
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dissensus ungeschwächt fortdauert. Hier ist
wirklich die ausschliessende Trennung von Fas-
sade und Realität – ein System der stattlich
organisierten Lüge.
Haben also wir Abendländer Recht und
Anlass, uns unterlegen, im Nachteil, be-
droht zu fühlen, weil wir nicht in der Lage
sind, der monolitischen Einheit des
durch den Kommunismus erhöhten „Men-
schenbildes“ die ebenso monolitische Ein-
heit des dem Abendlande gemässen
„Menschenbildes“ gegenüberzustellen?
Wir sollten darin, dass uns dies nicht
möglich ist, nicht ein Zeichen der Schwäche,
beruhend auf der Uneinigkeit, ja Zerris-
senheit der abendländischen Menschheit,
erblicken und beklagen. Nein: wir sollten
in der Vielfalt, ja auch in der Gegensätzlichkeit
der Menschenbilder die Offenbarung dessen
erkennen, was den Reichtum, was die Grösse,
ja was vor allem die „Menschlichkeit“ der
abendländischen Geistesverfassung aus-
macht. Im Gegenüberstehen von Ost
und West offenbart sich die Unausweich-
lichkeit der Alternative, vor die die Mensch-
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heit sich in dieser weltgeschichtl. Stunde
gestellt findet: entweder Uniformität der
Gesinnung und Haltung, dann aber auch
blutigster Gewissenszwang – oder Verzicht
auf Gewissensknechtung, dann aber auch
Polyphonie, ja Gegensätzlichkeit der Über-
zeugungen und Gruppierungen. Der Geist
des Abendlandes – das ist derjenige Geist,
der sich für die zweite Seite dieser Alter-
native entscheidet. Dieser Geist ist zu-
gleich der Geist derjenigen Staatsform,
die an der Anerkennung und politischen
Auswertung dieser Polyphonie ihre Seele
hat: der Demokratie.
Ich frage mich, ob das Wissen um diese
uns anstehende Geisteshaltung, ob die
Bereitschaft, sie in tätiger Hingabe in unser
Leben hinein zu verflössen, in unserer west-
lichen Welt so weit verbreitet ist, wie es im
Angesicht der östlichen Bedrohung gefordert
ist. Haben wir das uns angemessene „rich-
tige Bewusstsein“, das es mit dem angebli-
chen „richtigen bewusstsein“ der kommunis-
tischen Staaten aufnehmen könnte? Ich
habe in dieser Hinsicht meine begründeten
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Zweifel. Die Skala Unsicherheit, Gleichgültigkeit,
Verdrossenheit, Verneinung. Dabei ist zuzugeben:
der Inhalt des abenländ. Bewusstseins lässt
nicht so in handliche Formeln komprimieren,
nicht so in Katechismusform übermitteln
wie derjenige des kommunistischen. Um so
grösser müssen die Anstrengungen sein, die
abendländ. Welt zum vollen Bewusstsein
ihrer selbst emporzubilden. Aufgabe der
Bildungsanstalten, aber auch aller Gewalten
des öffentlichen Lebens! Das Abendland
muss im eigentlichsten Sinne des Wortes
um sich selbst wissen, um sich gegen den
Andrang des kommunistischen Widersachers,
dieses Zerrbildes seinerselbst, behaupten
zu können.
V 0054b
1
Pietät? Kommunismus! Total.
Historische Besinnung. Direkter
Weg. Kommunismus als Gegenbild.
Abendländischer Ursprung. Korrespon-
denz. Spiegel.
Das Ganze! „Menschenbild.“ Erzieher.
Rückstand des Westens. Kommunistische
„Humanität.“ Verhältnis zur westlichen.
Einheit und Einzigkeit.
Grundlage: „Wissenschaft“ verdrängt
Tradition. Einzigkeit der „Wahrheit“,
daher auch des „Menschenbildes“. Wis-
senschaft und Abendland.
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Ist dies Wissenschaft? Keine inhalt-
liche Prüfung. Solidarität von Staat
und Wissenschaft. Widerspruch uner-
wünscht. Bloss geistige Bekämpfung?
Machtapparat eingesetzt. Kein „Kampf
um Wahrheit“. Bedingungen der Wis-
senschaft zerstört. Nicht ein Weg. Dia-
lektik. Verrat am Abendland!
Verkehrung!
Wertgefüge.
Freiheit. Totale Vernichtung durch
unfreie „Wissenschaft“ legitimiert.
Wechselbezug der Werte.
Unterdrückung „rechtlich“ geboten.
„Rechtsstaat“. Wert der „Gerechtigkeit:“
Abendländisch. Vollendung der Ge-
rechtigkeit! Fassade.
Wechselbezug der Werte. „Kampf ums
2
Recht“. Mit Wahrhaftigkeit geführt.
Gerechtigkeit der Wahrheitsduldung.
Trias der Grundwerte in Ver-
zerrung. Verrat auch im Abendland!
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Westliches „Menschenbild“? Unsi-
cherheit. Konkretisierung. Wesen
und Herkunft umstritten.
a) Göttl. oder menschl. Ursprung?
Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit.
b) Weitere Aufspaltung. Die Konfes-
sionene. Luther – Thomas. Naturrecht.
Humanistisch – freidenkerisch.
„Gerechte“ Gesellschaftsordnung
Keine Einmütigkeit trotz glei-
chem Bekenntnis. Kein „Menschen-
bild“ – Differenz der „Menschenbil-
der.“ „Grundwert“ gegen „Menschenbild“.
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Schluss mit „Minderwertigkeit“.
Keine Uniformität. Vorzug sehen!
Anarchie? Angst der Standpunktlosig-
keit. „Liebender Streit“. Einheit ist
Ziel.
Letzter Gegensatz: Uniformität und
Vielgestalt. Die heutige Alternative.
Unser „Bewusstsein“ gegen das „r. B.“
Erziehungsaufgabe. Schwer! Schicksals-
frage. |