Bemerkungen | Dokumentenabschrift: V 0047a
1939
Titelseite
Die Erlebnisgrundlagen der Kunst
(Barmen 1939)
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Die schöpferische Tätigkeit d. Menschen, die
wir als „Kunst“ bezeichnen, ist nicht aus dem
theoretischen Nachdenken über ihre Möglichkeit
und Wünschbarkeit hervorgegangen. Sie ist
gleich so vielen anderen Leistungen d. Geistes
aus einem innern Drang hervorgegangen, der
zunächst garnicht nach seinem Sinn, seiner Be-
rechtigung, seiner Erfüllbarkeit fragte, sondern
einfach ans Werk ging und im Schaffen selbst
seiner selbst gewiss wurde und sich befriedigt
fand. Wohl aber ist dann hinterher, als die
Kunst sich bereits zu mächtigen Schöpfungen
emporgesteigert und bis zu letzten Möglichkeiten
vorgewagt hatte, das geschehen, was wir auch auf
allen andern Gebieten geistigen Tuns bemerken
können: es erwachte das Bedürfnis, sich in
nachträglicher Besinnung über den Ursprung, das
Wesen, den Wert dieses geistigen Tuns klar zu
werden. Es erwachte das was wir die „Reflexion“
über die Kunst, das Überdenken der Kunst nen-
nen. Ganauso, wie d. Mensch von einem bestim-
ten Punkte an über die Religion, die Sitte, d. Recht, den Staat, die Er-
ziehung, u.s.w. „nach“-zudenken das unwider-
stehliche Bedürfnis empfand, genau so fühlte
er sich auch durch das Phänomen d. Kunst an-
gezogen und zur Erforschung gereizt. Wo dieses
Nach-denken sich zu methodischer fertigkeit
durcharbeitet, da entstehen dann Disziplinen
wie Aesthetik, Kunstwissenschaft, Psychologie der
Kunst, Soziologie der Kunst.
Man kann nun sagen, dass gerade die Kunst
das menschliche Nachdenken vor Schwierigkeiten
stellt und in Zwiespältigkeiten verwickelt, die in den
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anderen Provincen d. Geistes nicht wiederkehren.
Angenommen das Nachdenken richtet sich auf Gebiete
wie Staat, Wirtschaft, Recht, Erziehung, so haben wir
es mit Tätigkeiten, Leistungen, Werken zu tun, die
ihren Sinn sozusagen auf der Stirn tragen, weil
ihre Notwendigkeit, ihre Zweckmässigkeit, ihr Sinn
ohne Weiteres einleuchtet. Ihr Sinn fällt mit
ihrer Lebensnotwendigkeit zusammen. Bei
der Kunst entfällt diese Begründung. Sie er-
scheint jedenfalls auf d. ersten Blick als nicht
lebensnotwendig. Sie wirkt wie eine freiwillige
Zugabe zum Leben, wie ein Luxus, der auch weg-
fallen könnte, wie ein Spiel für Stunden der
Entspannung.
Andererseits erhebt doch etwas in uns Einspruch
gegen diese Einschätzung. Wir haben das Gefühl
(sofern wir nicht ganz amusische Menschen sind),
dass die Kunst nun doch wesentlich mehr ist
als eine so beiläufige Angelegenheit, mehr als
eine Ergötzung für müsige Stunden, mehr
als ein Zwischenspiel im Ernst des Lebens. Und
hier setzt nun die eigentliche Arbeit des Nach-den-
kens ein. Es gilt den Lebensernst, es gilt die
metaphysische Bedeutung d. Kunst zu retten.
Ausserordentlich viel Scharfsinn und Tiefe
ist in diesem Nach-denken entwickelt worden.
Und trotzdem lässt es sich nicht leugnen, dass
gerade in diesem Nachdenken Theorien entstan-
den sind, die wider Willen die Entweihung der
Kunst befördern. Ich nenne nur zwei lehrrei-
che Beispiele. Die Griechen sind die ersten, aber
nicht die letzten gewesen, die die Leistung der
Kunst als „Nachahmung“ meinten verstehen zu
sollen. Aber welchen Wert soll die Kunst haben,
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wenn sie uns nur die Welt noch einmal, und zwar
nur in schattenbildlicher Wiederholung, zu geben
vermag. Dann doch lieber das Original statt der
Kopie. Wenn aber dann dem gegenüber der , der schöpferisch-bildende Charakter
d. Kunst hervorgehoben wird, dann kann es ge-
schehen, dass wieder in anderer Weise ihre Bedeutung
herabgesetzt wird.Das ist in uns. deutschen Klassik
überall da d. Fall gewesen, wo man zwar d. Kunst
d. , eine Welt nicht bloss abzu-
bilden, sondern recht eigentlich zu schaffen, wo
man an die von ihr geschaffene Welt als eine Welt
des Scheins, allerdings eine solche des schönen
Scheins auffasste. Denn damit ist die Kunst
neben die Welt gestellt, vom d. Wirklichkeit
abgesondert, zur Illusion herabgesetzt, also in
anderer Weise doch wieder ihres eigentlichen Gewichts
beraubt. Gefahr einer ästhetisierenden Verflüchti-
gung. Unernst der ästhetischen Lebensform.
Flucht um den Ernst der Verantwortung.
Diese Abseitsstellung der Kunst kommt dann
auch noch in einer weiteren damit sich leicht verbin-
denden Vorstellung zum Ausdruck: die Kunst ist
Angelegenheit gewisser Ausnahmeerscheinungen,
der schöpferischen „Genies“ in erster Linie, der ge-
niessenden Kunstverständigen in zweiter Linie.
Jene haben es an sich, dass sie nicht nur die
pathologisch? exzentrisch?
Welt in exzeptioneller Weise erleben, sondern auch
dieses Erleben in Schöpfungen wieder aus sich heraus
projezieren. Und die auf diese Weise entstehende
„zweite“ Welt ist es nun wieder, in der die besonde-
re Sekte der Kunstverständigen sich mit einer den
gewöhnlichen Sterblichen versagten Verständnis-,
Genuss- und Urteilsfähigkeit („Geschmack“) bewegt.
Auch hier wird die Kunst zu einem Reservat, einem
Naturschutzpark abseits der normalen Weltwirklich-
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keit.
Alle die hiermit skizzierten Vorstellungen
kommen darin überein, dass sie die Kunst und
das Kunsterlebnis des vollen Ernstes und
Anteil an der echten und vollen Wirklichkeit
berauben. Das ist nicht nur theoretisch falsch,
sondern auch aus prakt. Gründen zu beklagen,
denn so nimmt der Kunst d. Künstler u.
Kunstgeniessenden das gute Gewissen bzw.
ermutigt sie zu einem dem Leben sich entzie-
henden „Ästhetizismus“ – und es beraubt das
Leben einer Kraftquelle. Nun hat sich freilich die
echte Kunst durch ihre Wirksamkeit selbst dieser
Verkennung erwehrt und Ausstrahlungen in das
Leben entlassen, die ihre Verkennung Lügen strafen.
Aber auch die Theorie hat hier einzugreifen. Freilich
muss sie, um das ihr Obliegende verrichten
zu können, zunächst mit einen Wust von fal-
schen Doktrinen und Theoremen aufräumen,
durch die sie selbst die falschen Auffassungen
begünstigt hat. Diese Überprüfung ist meine
Aufgabe. Ich möchte zeigen, dass die Wurzeln
v. Kunst u. Kunstverständnis in der vollen
Breite des wirklichen Lebens zu suchen sind und
dass die Wirkungen der Kunst sich über die
nämliche Breite erstrecken. Kunst ist Steige-
rung und Vollendung eines Lebensverhältnisses,
das vom menschl. Dasein nicht abzutrennen
ist. Es würde nicht Kunst, Künstler und Kunst-
verständige geben, wenn nicht jeder nor-
male Mensch in abgestufter Weise die
Grundmotive und Grundmöglichkeiten künstl.
Welterlebens und Weltgestaltens in sich trüge.
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Damit dies freilich eingesehen werden ,
bedarf es der Wegräumung aller der teils wissenschaftl.
teils ausserwissenschaftl. Vorurteile, die der rechten
Auffassung im Wege stehen. Sie wurzeln tief und
sind schwer zu beseitigen. Eben deshalb bedarf es
des „Philosophen“. Eben deshalb der Vorwurf der Dun-
kelheit oder Verschrobenheit, wenn er seine Thesen
entwickelt. Der „gesunde Menschenverstand“ des
gebildeten Mitteleuropäers rebelliert. Mit dem
Kinde oder d. Primitiven wäre die Verständigung
leichter – wenn diese philosophieren könnten. dass
sie es nicht können, ist die Kehrseite des Seelen-
zustandes, der andererseits die Verständigung er-
leichtern würde.
Wir fragen uns nach dem Wesen der unbefangenen
Weltauffassung, und zwar zunächst nach dem
Wesen der Auffassung dessen, als was sich die „Welt“
vor der Bearbeitung und Umwandlung durch den
Menschen präsentiert. Wir fragen nach dem ur-
sprünglichen Auffasen der noch unberührten
„Natur“, wie sie durch die Sinne, vor allem durch
die sog. höheren Sinne: Gesicht, Gehör, in
zweiter Linie Getast, stattfindet. Wir fragen nach d.
Welt d. Farben, Formen und Klänge. Wie wird
diese Welt primär von uns erlebt und erfahren?
Ich fasse das Wesentliche zusammen in d. Satz, dass
diese Natur uns anspricht, dass sie „zu uns spricht“.
Was will dies. Ausdruck besagen? und die ihm
verwandten (das Anlitz, die Physiognomie, die
Bedeutsamkeit, der Stimmungsgehalt der Natur)
denn eigentlich besagen? Er will sagen: die Natur
ist für uns nicht eine Anhäufung von gleich-
gültigen, physiognomielosen, bedeutungsleeren,
„Dingen“ „Sachen“ „Objekten“. Es bsteht zwischen uns
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Gemeinschaft
und ihr so etwas wie ein Lebensverhältnis, ein
Verhältnis von der art, wie es vollendet das Ich
mit dem Du verbindet. Dass Wir sind gewiss dass das ursprüngliche
Verhältnis zur Natur dem Verhältnis des künstler
gewissen Gruppen und Klassen v. Menschen besonders
naheliegt und wichtig ist: dem Kinde und dem
primitiven Menschen! Für den zweitgenannten be-
zeugt dies besonders eindringlich seine wesentlichste
geistige Schöpfung, der Mythos, denn dies ist
Frucht dieser ursprüngl. Begegnung mit d. Natur.
Wir sind aber ferner nicht zweifelhaft, dass unter den
nicht mehr primitiven Menschen eine Gruppe in <....> Verhältnis <....>: die Künstler! Auch
zu ihnen „spricht“, wie ihre Werke in Farbe, Form u.
Wort beweisen, die Natur in besonders eindring-
licher Weise.
Aber nun ist für dieses ursprüngl. Verhältnis
zur Natur die schlechthin entscheidende Frage
zu kennen stellen: wie kommt es zustande
und welches ist sein Wahrheitswert? Und an
dieser Stelle mengt sich nun eine Auffassung
und Lehre ein, von der ich glaube, dass sie die
gesamte Weltsituation des Menschen bis auf die
Wurzel verfälscht. Sie lautet etwa folgender Mas-
sen. Gewiss, d. Mensch hat das Gefühl, von der Natur
„angesprochen“ zu werden. Aber wenn er sich dann
in aller Ruhe fragt, woher denn diese Ansprache
stammt, so muss er sich eingestehen: alles dies
stammt in Wahrheit – aus ihm selbst, aus seiner
„Phantasie“, aus seiner „Ein-bildungskraft“. Theorie
der „Beseelung“, „Vergeutigung“, „Personifizierung“, „Ein-
fühlung“. Anwendung auf den Primitiven
und sein Mythos, auf das Kind u. seine Welt. Anwendung
auch auf d. Künstler. Was er umgibt, das ist die durch
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durch seine hypertrophische, exzeptionell gesteigerte
„Phantasie“ beseelte Natur. An seiner Hand lassen
wir, die weniger phantasievollen, uns in seine Welt
führen („Dichters Lande“) Nicht Dialog, sondern Monolog
auf Umwegen.
Nun sieht es auf d. ersten Blick so aus, als ob
diese Auffassung d. Menschen u. speziell d. Künstlers
ausserordentlich hoch stellen und beglücken
müsse. Er, der einzige Stifter der bedeutungsl. xxxx
Welt. Er, der universale „Einfüller“. <Überall sein
Wesen>. Kehrseite ist nicht zu übersehen: allso dies
(Schöner „Schein“ (Schiller) Wahn!
ist Phantasie, folglich im Grunde – Illusion,
entbehrt der „Wahrheit“, ist keine „Wirklichkeit“! Die
schauerliche Vorstellung einer vollkommen bedeu-
tungsleeren, gespenstischen Welt (Fechner „Nacht-
ansicht“). Deshalb ist kritische Überprüfung gebo-
ten.
Wir fragen den Vertreter jener Ansicht: wenn also,
was d. Welt an Sinn, Bedeutung, Stimmungsgehalt
innzuwohnen scheint,ihm von Menschen eingelegt
ist – was ist denn die Welt nach Abzug von dem
allem, was ist sie „an sich“? Was ist das, was dem
Menschen“gegen“ ist, wenn er sich an die „Besee-
lung“ heranmacht? Einzig mögliche Antwort; sie
ist eine Welt v. sinnlosen Dingen, sachen, Objekten –
und über dass Dass u. das Wie dieser Objekte be-
lehrt uns die Naturwissenschaft. Der Wald, das
Gebirge, das Meer, die Wolken: Botanic, Chemie, Mineralogie,
Physik Astrologie, Meteorologie geben uns über das „An sich“ unfehlbare Aus-
kunft. Das ist die „vorgefundene“, die „gegebene“ Na-
tur – alles Weitere ist Zutat und Beigabe des sie
besellenden Menschen – gleichsam sein Privatver-
gnügen, das die Natur selbst nichts angeht.
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Was dieser Antwort in d. Augen des modernen
Menschen ihre Überzeugungskraft verleiht, das
ist die „Objektivität, Überzeugungskraft der naturwissen.
Forschungsergebnisse. Hier das einzig Stabile,
Beweisbare, Feststehende („Verfifizierung“). Aber
gerade in dieser Absolutsetzung der naturw.
Ergebnisse liegt die völlige Verzeichnung und
Entstellung d. Lebens. Beispiel: Farbe und
Klang im Netz d. naturwissensch. Denkens.
(„sekundäre Qualitäten“) Wie viel mehr muss
dann <....>. „Stimm“., ‚Bedeutung’ in das
Innere d. Subjekts verlegt werden!
Man kann die dieser Absolutset-
zung von zwei Seiten her nachweisen:
I Was wird denn aus mir selbst, dem Sehen-
„Einfühlen“, „Beseelenden
den, Hörenden, Tastenden, wenn ich die natur-
wissenschaftl. Deutungsergebnisse absolut setze? Ein
Komplex v. und Kräften.
II und noch lehrreich: wie nimmt sich
das Weltverhältnis des Tiers unter der glei-
chen Voraussetzung aus?
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Es müsste dann auch dem Tier nicht weiter „gege-
ben“ sein als das naturwissenschaftl. Nachweis-
bare. Aber ist das Denken? Ist auch hier die
„Einfühlungstheorie“ durchführbar? Was das
Tier den Dingen „einfühlt“, das ist nicht freie
Phantasie. Ein-bildung, sondern im Tiefsten,
Gefahr
„sachlich“ begründet. Nahrung, Nestbaumaterial,
Beute, Verfolger. Geschlechtspartner! D. Instinkt
erspürt an d. Welt das, was sie für das Tier ist,
„an sich“, ihrer eigenen Beschaffenheit nach. Ein
inniger Kontakt mit d. Welt, der das wissenschaftl.
Feststellen weit überschreitet. Auch in d. Zukunft hinein!
Welt ist nicht „Objekt“, sondern in Gemeinschaft verbunden.
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auch d. Tier empfängt „Eindrücke“ v. d. Welt durch die Sinne.
Es müsste dann auch d. Tier nichts weiter „gegeben“
sein als jenes „Ansich“, von dem die Naturwissen-
schaft berichtet. Alles Weitere, was sich etwa in dem
Tiere an Eindrücken fände, käme auf Rechnung
seiner „Einfühlung“. Nun gibt es aber ganz bestimmte
Anzeichen dafür, dass das Tier die Natur keines-
wegs bloss als das erlebt, was uns die Naturwissen-
schaft von ihr meldet. Die Zweckmässigkeit des
tierischen Verhaltens im Hinblick auf Selbsterhal-
tung und Arterh.. Worauf beuht sie? Sie muss
irgendwie mit den Eindrücken zusammenhängen,
die das Tier v. d. Welt empfängt. Diese Eindrücke
sagen ihm: hier ist Nahrung, Weide, Beute, Lager, Nestbaumaterial, Geschlechts-
genus, Gefahr, Verfolger, Rivale usw. Wir nen-
nen das, was dem Tier die Gewissheiten gibt, seinen
„Instinkt“. Und wir wissen: der Instinkt macht
nicht naturwissenschaftl. Feststellung, sondern
er sagt dem Tier mit traumhafter Sicherheit: was
das jeweils Begegnende für seine reale Existenz u.
in d. Zukunft hinein!
f. d. Erhaltung d. Gattung bedeutet. Frage: ist
das, was d. Instinkt ist alles naturwissenschaftl.
Feststellbare hinaus dem Tier sagt – ist das
alles „Ein-bildung“ des Tieres? Weit gefehlt! Es
besteht aufs glänzendste die Bewährungsprobe.
Im Instinkt bewährt sich d. engste Kontakt, die
innigste Gemeinschaft zwischen Tier und Welt.
Hier leidet also die „Einfühlung“stheorie Schiff-
bruch. Aber man wird sagen: beim Menschen ist
es anders. Bei ihm ist eben das Denken an die
Stelle des Instinkts getreten, und wenn er über das
Denken hinaus noch „Eindrücke“ v. d. Natur empfing,
so fehlt diesen Eindrücken die Notwendigkeit und
die Bewährungsmöglichkeit, die den Instinkt sichert.
Hier waltet also wirklich die freie Einbildung. Deren
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Instinkt d. Biene ist die Blume Fundplätze f.
Honig – dem Menschen ist sie schön nach Form,
Farbe, Duft u.s.w., lauter Qualitäten, die für
seine Selbst– und Arterhaltung ohne Belang
sind, also nutzlose Zutat, also – blosse „Einbil-
dung“, Luxus u.s.w.
Erkenntnis: den Welteindrücken der Tiere wird
an Gehalt an Weltwirklichkeit zugesprochen, dem-
jenigen des Menschen wird er abgesprochen, weil
sie sich nicht als existenznotwendig ausweisen
können. Aber ist diese Unterscheidung gerecht-
fertigt?
Wir vergleichen, um diese Frage zu beantworten,
noch einmal das Welterlebnis des Tieres und
des menschen etwas näher.
Das Tier erlebt von der gesamten Welt
nur das in vitaler Hinsicht wichtige und
auch dies nur in einer ganz bestimmten
Beleuchtung. Der biologische Begriff der „Um-
welt“. Die Abgestimmtheit v. Umwelt und tie-
rischer Organisation. Gussform und Guss-
kern. Und das <....> Ausgewählte wird
in seiner Bedeutsamkeit sichtbar. Die
Triebgebundenheit des tierischen Welterlebens.
„Reiz“ und „Reaktion“.
Das Welterlebnis des Menschen ist der Trieb-
gebundenheit überlegen. Abstand v. d. Welt,
Freiheit, Umblick in die Weite. Quantitativer
und qualitativer Unterschied.
an einem Fall, in dem Mensch und Tier
dasselbe Objekt erleben.
Die „Schönheit“ des männl. Tiers in d. Brunst-
zeit. D. Mensch erlebt sie als „schön“, d. Tier als
Anreiz geschlechtl. Verlangens. Das Erlebnis d.
Tiers ist nicht bloss „Einfühlen“, sondern Ausdruck
vitaler Notwendigkeit, sachl. tief begründet. D.
Erlebnis d. Menschen – ist es bloss „Einbildung“?!
Weil d. Mensch frei v. Triebgebundenheit ist,
weil er weniger egozentrisch eingestellt ist, darum
lässt er das Andere mehr als es selbst gelten,
sieht die Offenbahrung seines Wesens. Nicht ein
Mehr an hinzudichtender Phantasie, sondern ein
Mehr an Weltoffenheit, Erschlossenheit, „Selbstlo-
sigkeit“. – Weiteres Beispiel: das Erhabene.
Mit Unrecht verlangt man dafür Belege. Die
Erhebung über vitale Notdurft ist Verzicht auf
„Ausweise“.
Diese „interessenlose“ Betrachtung ist die Basis
des „ästhetischen“ Erlebnisses (Goethe, Schiller,
Schopenhauer) Es entsteht über all da, wo die Welt
nicht nur als „Ding“, nutzbares „Objekt“, Forschungs-
„gegenstand“ gesehen wird. Eine universale
Entdeckung des Eigengehalts der Welt. In
irgend einem Masse ist dieses Erlebnis jedem
Menschen gegeben.
Universalrs Beispiel: die Sprache! Nicht Kom-
mentar zum fertigen <....> der Welt. Entdeckung
und Fortbildung d. Welt.
Weiteres Beispiel. Neben dem „Schönen“ das „Erha-
bene“.
Beim Normalmenschen treibt diese Weltempfän-
glichkeit nicht zur Produktion. Der Künstler aber
ist mit einer Form d. Weltelebens begnadet,
die ihn zur Fortsetzung und Steigerung an-
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treibt. Die schauend „>ent...>“ Welt wird fort-
und emporgebildet. Fortsetzung und Steigerung
des Weltprozesses, nicht Schein. Welt
neben der anderen.
Beispiel aus d. fertigen
Text d. Welt!
Dichtwerk als abermalige Potenzierung des
Schöpfungswerkes der Sprache. Auch hier keine
Schein-Welt.
Der Ernst d. Kunst. Nicht <...ige Erqitung>.
Eine metaphysische Form d. Auseinanderset-
zung v. Mensch und Welt. Eine
Bleibe des Mensch. Welt-Verhältnisses. So
sahen sie unsere Klassischen Dichter u. Denker. |