Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor V 0045
TitelDie Entwicklung des Staatsgedanken im deutschen Idealismus
Enthälta) hs; Doppelblatt + 2 Blätter 10,4 x 16,3 cm = Titelblatt + S. 1-3 b) hs; 1 Blatt 10,4 x 16,4 cm = S. 1-2 c) Zeitungsausschnitt: Die Staatsidee des deutschen Idealismus. Prof. Dr. Litt über die Staatsphilosophie der Romantiker, In: Allgemeine Zeitung (Nordhausen) v. 14.11.1933 d) Zeitungsausschnitt: Die Staatsidee des deutschen Idealismus. Vortragsabend im Stadttheater, In: General-Anzeiger (Nordhausen) v. 14.11.1933
Zeitvon1933
Zeitbis1936
Bemerkungen0045c + d - entnommen aus K. 3 (B.41+B.42) = Berichte über Vorträge; Dokumentenabschrift: Vortragsabend des Vereins für Wissenschaft und Bildung am 13.11.1933 im Stadttheater Nordhausen V 0045a undatiert Titelseite Die Entwicklung des Staatsgedanken im deutschen Idealismus. 1 Heute nötig: Wideraufbau des deutsch. Staates auch mit (nicht v. vorne anfangen!) ideellen Mitteln. Dabei Anknüpfen an d. überlieferten Staatsge- danken erforderlich: jede Nation hat ihre sprzifische Staatsidee. -------------------------------------------------------------------------------- Charakterist. Unterschied: anderwärts wächst d. Staatsidee aus d. polit. Wirklichkeit heraus. Bei den politisch so un- glücklichen Deutschen sind Politik und Idee lange getrennt und müssen sich erst zusammenfinden. Folgen: Kühnheit u. spekulative Kraft, aber auch Erdenferne des polit. Gedankens. Auch in den Parteien! Ich spreche heute v. d. Anteil d. Idee, u. zwar in ihrer philo- sophischen Form. Geboren in d. Epoche des „deutschen Idealis- mus“ im weitesten sinne (Leibniz bis Hegel), d. i. Der „deut- schen Bewegg.“ Von Staatsfremdheit zur idealen Verklärung d. Staates; ein auch heute unentbehrl. Gedankenbesitz 2. Nicht vollständiges Vorführen, sondern Auswahl charakterist. Sta- tionen. I] Ausgehen von einem Denker, der d. Realität d. Staates völ- lig abgekehrt und dabei doch die Weise des Schauens be- gründet hat, der allein d. Staat zugänglich. Deutsche Staatsauffassg. muss sich durchsetzen gegen das „natürliche System“, das die Aufklärung des 18. Jhdts. beherrscht. Engl. u. französ. Ursprungs; praktisch erprobt nur v.d. Franzosen (Ab- solutismus u. französ. Revolution) Alle geschichtl. Ge- Ursprung u. Zweck! samtgebilde u so auch d. Staat v. d. Individuellen her Kon- struiert als Produkte vernünftiger Überlegg. („Staatsver- trag“ – aber auch Sprache, Religion u.s.w.) Rationalismus u. , der d. Staat zur „merkantilist. Sozietät“ macht. Der vernünftige Mechanismus des absoluten u. des revolut. Staates. (nicht in Kant!) Gegen diese Denkart erhebt sich deutsche Denkart in Herder, dem Gegener der Aufklärg. Ausgangspunkt Sprache, Mythos, Volks- poesie. Schöpfungen Kollektiver Individualitäten („Kultursee- len“) Entdeckung des „Volksgeistes“. xxxxxxx Menschheitl. Zusammenhang der Volksgeister, aber nicht im Sinne des „Fortschritts“. „Mittelpunkt d. Glückseligkeit“. Rehabili- tierg. des Mittelalters. Weltgeschichte als Stätte der „Bil- dung“ in in kollektivem Sinne. Durch Werkgestaltung Selbst- gestaltung. „Physiognomisches Interesse“. Dieser „Bildungsgedanke“ haftet an d. Völkern als Werkschöpfern. 2 Umfasst er auch d. Staat? Das verhindert 1) die Jämmerlich- keit der Kleinstaaterei (Bückebg., Weimar) 2) die ästhet. u. religiö- se Fassg. seines „Bildgs“gedankens; fremd d. Welt d. Willens- mächte. „Kette d. Bildg. – „Greuel d. Verwüstg.“ Geist und Staat völlig entgegengesetzt. „Mechanismus“ des friderician. Preussen. Kein Blick f. d. Kollektivwirklichkeit „Staat“, die doch ebenso gewaltig wie Volk, Kulturkreis u.s.w. II] Die Übertragg. Herderscher Anschaung auf d. Staat , unter d. Eindruck gewaltiger Erlebnisse (französ. Revolution; Napoleon!) , d. d. Romantik. Der romantische Geist im All- genuss d. Geschichte. Individualismus u. Universlis- mus. Dabei das Universale Staat stark acentuiert, u. zwar in schärferer Polemik gegen Aufklärung u. Revolution. „ge- meinschaft“ gegen „Gesellschaft“: Die „politischen Geometer“. Staat ist Bund d. Geschlechter. d. Geschichte in „Ganzheit“ ihm konzentriert. Begriff des „Organischen“ bevorzugt. „Orga- nische“ Staatstheorie. „Gewachsen“, nicht „gemacht“. Erneueg. in unser. Zeit Spann. , nahe Krieck Aber auch dies „romant“. Staat steht der Herderschen Gefühlswelt: Glaube, Liebe, Treue, zumal Religion („Organisches“ Zusammenspiel, nicht Dialektik) Die harten Motive des Machtwillens u. Kampfes (inner- u. ausserpoltisch) trten gegen das „Wachstümliche“ zurück Daher in dieser Gedankenwelt: Novalis’ Europa; prakt.: die heilige Allianz, die im Zeichen d. Christentums d. Völkerkampf bändigen vgl. Bienenstaat! will. Aber d. Staat „wächst“ nicht organisch wie d. „Volksgeist“; in ihm kulminieren die Gegensätze des Wollen u. Handelns. III] Dieses Motiv bringt (nach Fichte) Hegel zur Geltung, damit der Antipode v. Herder. Auch für Hegel sind die weltgeschichtl. Völker Träger der weltgeschichtl. Idee; aber er sieht ihre Entfaltung nicht als ruhig-organ. Wachstum; dieses gibt es nur in der „Na- tur“. +) Dagegen geistiges Werden ist harte Arbeit in Gegensät- zen, Kampf! Naturhaftes Belieben muss „abgearbeitet“ wer- den. Blick für die tragische „Negation“ im Werden des Geistes. Daher auch der „allgemeine Geist des Volkes“ ganz anders ge- fasst: nicht Produzent ästhet.-myth. Gebilde, sondern Ver- wirklicher der „Sittlichkeit“. Und diese Sittlichkeit ist genau so spannungsvoll wie d. ganze Theorie: sie kulminiert nicht im +) Nicht blind f. naturhafte Basis („Anthropologie“ – Familie) 3 Staat! den Herder ausscheidet! Er ist „objektiver Geist“. Und er wird unbeschönigt als Organ des Machtwillens ge- sehen und anerkannt (wie gleichzeitig v. Ranke!) Esrt im Einswerden mit diesem Staat vollendet d. Volk sein Dasein „Brei d. Freundschaft „d.U. d. B.“ in Bewusstsein und Willen erreicht d. Individuum die wahre Sittlichkeit. +) Und die Spannung zwischen beiden be- deutet eben die kämpfende Vollendung „Die Lebendig- keit des Staates in den Individuen ist die wahre Sittlichkeit, das Bewusstsein der Freiheit! Prüfstein: der von Herder ver- abscheute Krieg! Stärkstes Aufrütteln egoistischer Absonderg., welthistorische Feuerprobe des Volks. ++) Damit haben sich Idee d. Volks und Idee d. Staats nicht nur gefunden, sondern jene kulminiert in dieser: die „mo- ralischen Energien“ d. Volks bewähren sich in seinem staatl. Willen. Hegel verkündete diese Lehre in der „Windstille“ der Restauration: für uns hat sie im Sturm ungeheurer polit. Schicksale, in d. fortdauernden Krisis uns. Existenz doppelte Bedeutung gewonnen. Es ist uns. Schicksalsfrage, ob wir sie in d. Tat zu bewähren wissen! Dabei soll auch dies. Gedan- kenschatz mithelfen. >Be...le>, wie unsere Jugend genau den hier beschriebenenWeg zurückgelegt hat: v. d. Ro- mantik zum Aktivismus, von dem Wandervogel zur S.A. Ich verhehle nicht die Befürchtg., dass das Pendel zu weit ausgeschlagen ist: von Kultur des Geistes Sparta! zu seiner Hier bildet gerade Hegel das nö- tige Korrektiv: d. „objektive Geist“ verschlingt nicht den „absoluten Geist“, sondern findet in ihm seine Vollen- dung! +) Politischer Realismus. Die Rehabilterung. Machiavellis. (Fichte 1807) Aber freilich: ein ide- alistisch verklärter Machiavellis! Realismus d. Macht im Dienste geistiger Mission. ++) Trotzdem keine Staatsvergöterung! Weder das Indi- viduum geopfert (UNterschied d. modernen v. antiken Staat) noch d. „absolute Geist“ dem Staat unterworfen. Nur die zeitliche Wirklichkeit kulminiert im Staat! V 0045b 1 1933. 13.Nov. (Nordhausen) Deutsche Staatsidee verwirklicht in der polit. Sammlung des 12. November. Ist gegenüber dieser Realität die Rückbesinng. auf d. Vergangenheit nicht überflüssig? Radikalismus d. „na- tional. Revolution“ möchte manchmal so antworten. „Wir fangen von vorne an“. Aber das wäre in doppelter Hinsicht falsch gedacht. Undenkbar, insofern in den Energien der nation aber Erhebung das Erbe des deutschen Geistes mit- enthalten ist. Unklug, insofern ein Volk „seine“ staatl. Idee nicht beliebig oft, sondern nur einmal in grossem Stile ausprägt: in der Zusammenarbeit der Generationen, die ihre Geschichte in grossem Stile erleben. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Bewegg. v. 18. Jhdt. bis heute als eine grosse Einheit: Einheit des Schicksals und der Idee. 1763, 1813, 1870, 1914, 1933 als Etappen der nationalen Selbstbestimmung. Damit rechtfertigt sich unser Rückblick auf die Staatsidee des deutschen Idealismus! Nicht ein „geistiger Luxus“! „Idealistisch“ ist diese Staatsidee in