Bemerkungen | Vgl. V 0035 - Vortrag befand sich ursprünglich dort; Dokumentenabschrift: 1
Bonn 1962
Wenn wir auf die vier Jahrzehnte zurück-
blicken, die das Studentenwerk hinter sich ge-
bracht hat, dann betrachten wir nicht lediglich
einen „Teil“, einen „Ausschnitt“ aus der Geschichte
der akademischen Gemeinschaft. Wir betrachten
das Ganze dieser Geschichte von einer bestimm-
ten Seite her. Die Universität würde nicht dasjenige
sein, was sie schon mit ihrem Namen zu sein
beansprucht, nämlich die , wenn sich ihr Leben in Tei in <...-
be> Teile zerlegen und so abschnittweise abhan-
deln liesse. Wir müssen immer daran festhal-
ten, denn in einem jeden der angeblichen Teile
das Leben des Ganzen pulsiert, folglich auch
von je dem Teil die Lebenslinie des Ganzen
abgelesen werden kann.
Wenn wir die Sache so sehen, dann dürfen
wir alles das, was dem Studentenwerk an
Rühmlichen nachgesagt werden kann, auch
der Universität als einem Ganzen gut-
schreiben. Und das ist deshalb wohlbegrün-
det, weil ja im Studentenwerk, unbeschadet
seiner studentischen Herkunft und Verwaltung,
immer Studenten und Professoren zusam-
mengearbeitet haben. Es Was ich von dieser
Zusammenarbeit miterlebt habe, das gehört
zu den erfreulichsten erinnerungen meines aka-
demischen Lebens. Und es ist mir eine Genug-
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tuung, dass ich unter den heute Versammel-
ten auch solche sehe, mit denen ich die
Erinnerung an diese erspriessliche Kooperation
teile. Ich gedenke a) der Einzelfürsorge
b) der Studienstiftung des deutschen Volkes.
Auslese! Das Versagen vieler Kollegen und
das klare Urteil der Jüngeren. Ein wirklicher
Ruhmestitel der universitas.
Aber wenn ich nun das vom Studenten-
werk Geleistete in das Ganze der Universitäts-
geschichte hineinschaue, dann drängt sich
mir ein beunruhigender Gedanke unwi-
derstehlich auf. Ist es nicht eine zum
Nachdenken auffordernde, ja bestürzende
Tatsache, das diesselbe Studentenschaft,
die in dem an den ersten Weltkrieg sich
anschliessenden Jahrzehnt so überzeu-
gende von ihrem Ernst, ihrer Tat-
kraft, ihrer Zielsicherheit ablegte, aus ihrem
Schoss Erregungen und Bewegungen her-
vorbrachte, die durch ihre radikale Leiden-
schaftlichkeit, ja Besessenheit ein zur Herbeiführung der deutschen Ka-
tastrophe beitrugen? Wie kann aus dem
Schosse der nämlichen Gemeinschaft so Heil-
sames und so Verderbliches hervorgehen?
Man mache sich die Sache nicht zu leicht,
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in dem man erwidert, es seien doch verschie-
dene und geschiedene Studentengruppen gewesen,
auf die das Löbliche einerseits, das Verwerfliche
andererseits entfiel. Diese Argumentation
wird auch nicht durch den Hinweis legi-
timiert, dass der nat.-soz. Teil der Stu-
dentenschaft in dem Studentenwerk sein
bevorzugtes Angriffsobjekt gefunden habe.
Thomas Mann hat einmal in einer Betrach-
tung über Deutschland und die Deutschen
davor gewarnt, dass man im Hinblick auf
die Ereignisse des dritten Reichs die Deutschen
einteile in weise und , in tugendrei-
che und lasterhafte Deutsche. Er hat zu be-
denken gegeben, dass unbeschadet der schroffen Ge-
gensätzlichkeit, in der solche Gruppen aus-
einandertreten, sie an dem Grunde der
nämlichen Gemeinschaft, gemeinsamen Über-
lieferunen, Sitten, Gewöhnungen hervorgewachsen
und insofern doch schliesslich zusammen-
gehören, und das um so mehr, als sie
gerade in der wechselseitigen Auseinanderset-
zung, im Streit der Überzeugungen ihre charak-
teristische Prägung gewinnen. Sie werden
und wachsen aneinander und durcheinander.
Es hilft also alles nichts. Wir müssen uns ein-
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gestehen, dass in den einen so gut wie in den
anderen der Geist der universitas gegenwärtig
ist.
In dem ich mir diese Zusammengehörig-
keit des Gegensätzlichen eingestehe, steigt in
mit die Erinnerung an ein Ereignis auf, in
dem mir das Dass und das Wie dieser Einheit
in wahrhaft erschütterndr Weise bewusst gewor-
den ist. 2. Studententag Göttingen 1920. Ernst
und Tüchtigkeit – Judenfrage. Dieselbe Ver-
sammlung zeigt zwei grundverschiedene
Gesichter. Dieselbe Bildungsstätte ist Nähr-
boden so gegensätzlicher Haltungen.
Bestätigung durch den späteren Verlauf
der polit. Auseinandersetzungen an den
Hochschulen, und zwar nicht nur bei
Studenten sondern auch bei Professoren. das
fordert die Frage nach der des geisti-
gen Mediums heraus, das durch die hohe
Schule des Geistes gebildet wird.
Dies Medium müsste von heilsamster
und förderlichster art sein, wenn seine
überlieferte u. ehrwürdige Auffassung vom
Wesen der Wissenschaft im Rechte wäre.
Die Griechen über die <....>. Göttergleich.
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Berlin 1809. Univ. Berlin.
Allem Atem menschlichen enthoben. Rich-
tig und falsch zugleich. Grossartigkeit
und erlösende Kraft der erfolgreichen Wahr-
heitsforschung. Aber wie steht es mit
Wesen und Wert des Vermögens, durch
dessen Betätigung die Wahrheitserkun-
dung geschieht? Werk und Freiheit.
Ambivalenz der Freiheit. Freiheit zu
Normerfüllung und Normverletzung.
Speziele: Freiheit zu Wahrheitserkundung,
Wachsen auf demselben Hol!
aber auch zu ungewollter und gewollter Wahrheitsver-
fälschung. Irrtum und Lüge. Nicht
nur Möglichkeit, sondern auch Ver-
suchung. Anfälligkeit gerade der „In-
telektuellen“ für die Syggestionen der
Heilslehren. Geistige Reizbarkeit, Aus-
sprechbarkeit, Wachheit, Kumuzierung
der Intelektuellen, der alten und der
Jungen, in der Hochschule. Das rechte
Klima für Erregungen und Verführungen.
„Verführtes Denken“. Ambivalenz des
Erkenntniszieles in Reinkultur. Daher auch
Aufbrechen aller Gegensätze gerade heir.
Permanenter Herd der Unruhe, Gewollte und
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ungewollte Täuschung gedeiht hier aufs
prächtigste. Die ganze Skala vom rein-
sten Wahrheitssinn bis zur abgefeim-
testen Sophistik wird in diesem Klima
entwickelt. Virtuosität des hochgezüch-
teten Intellekts.
Hier lebt sowohl echte Wissenschaft
als auch der sich Wissenschaft dünkende
Wahn und die als Wissenschaft sich auf-
putzende Lüge. Welthistorische De-
monstration des letzeren: der Kom-
munismus! Apokalyptisch. Gut-
gläubigkeit. Ambivalenz des wissen-
schaftl. Streitens durch weltgeschicht-
lichen Erfolg erwiesen.
Frage der Universitätsreform: Augen
öffnen für die Zweideutigkeit der
Gabe, die die Hochschule spendet. Erzie-
hung zu Wachsamkeit und Selbstkontrol-
Sprengstoff!
le. Blick für die ungeheuerliche
der Wissenschaft im Diamat. Ablassen
von der klass. Idee der <....>. |