Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0632
TitelBrief von: Maiwald, A. (Görlitz) an: Litt
Enthälths; Brief Doppelblatt 14,9 x 21 cm
Zeitvon1929
Zeitbis1929
BemerkungenDokumentenabschrift: Sehr geehrter Herr Professor! Aus bestimmten Gründen habe ich am Mittwoch nicht das Wort ergriffen. Und doch läßt mir die überraschende Schlußfolgerung Ihres sonst so großartigen Vortrages keine Ruhe. Das geradezu vernichtende Urteil über die sogenannte Arbeitsschule muß doch einmal kommen, wenn dieser Unsinn - sogar Geschichte sollten wir aus den Kindern herausholen - nicht noch größeren Schaden anrichten soll. Die Kinder sollen noch mehr zur Selbsttätigkeit herangezogen werden - sehr gut. Das ist aber nichts Neues. Es galt nur, dieses Prinzip noch mehr zu fördern. Aber was uns diese Heißsporne mit dem Arbeitsunterricht vorgesetzt haben, das wird der Schule noch lange zum Nachteil anhängen. Nun aber meine Bedenken an dem Ausklange Ihres Vortrages. Sie meinten doch, man müsse die Verhältnisse in unserem Vaterlande als etwas Gegebenes betrachten und dürfe niemand vergewaltigen. Auch die verschiedenen Weltanschauungen seien ein Charakteristikum des deutschen Volkes, und man müsse einfach mit dieser Tatsache rechnen. Deshalb lehnten Sie, sehr geehrter Herr Professor, auch eine deutsche Schule ab. Ganz korrekt! Nun folgerte ich schon im voraus: Da muß man unbedingt auch jeder Weltanschauung bezw. Konfession das Recht zugestehen, eine eigene Schule einzurichten. Doch nun kam die Überraschung: Sie erklärten sich für die sogenannte Gemeinschaftsschule. Das konnte ich nicht verstehen, obwohl ich sonst Ihren Ausführungen so gern gefolgt war. Die Gemeinschaftsschule bedeutet eine schwere Vergewaltigung für überzeugte Katholiken und Protestanten. Wie man die Katholiken als starke Minderheit an solchen Schulen behandelt, das kann den Zwiespalt nur noch vergrößern. Ich selbst betrachte Religion als die Grundlage des Lebens und darum auch der Erziehung. Ich würde es als eine unerträgliche Grausamkeit ansehen, wenn ich in den anderen Unterrichtsfächern darauf verzichten müßte bezw. Kinder vor mir hätte, an die ich in religiöser Hinsicht nicht herankann. Wie oft spreche ich in der kathol. Schule von Liebe und Duldsamkeit gegen Andersdenkende! Auch die kathol. Kirche kann niemals auf die kathol. Schule verzichten. Im übrigen aber Dank für den prächtigen Vortrag. Mit vorzüglicher Hochachtung ganz ergebenst A. Maiwald Konrektor.; von: Maiwald, A. an: Litt; Ort: Görlitz