Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0611(a+b)
TitelBrief von: Martini, Paul (Bonn) an: Litt
Enthälta) ms; Brief 1 Blatt A4; Briefkopf: Prof.Dr. Paul Martini, Direktor der medizinischen Klinik der Universität Bonn b) ms; 1 Anlage 1 Blatt A4: Abschrift eines Briefes Martinis an ?
Zeitvon1958
Zeitbis1958
BemerkungenDokumentenabschrift: Zuschrift veranlaßt durch einen Leserbrief Litt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23.04.1958: Politisierung der Hochschulen. a) Sehr verehrter Herr Kollege Litt! Die üblich gewordenen kollektiven Vorstöße in die politik sind auch für mich seit langem ein Ärgernis. Ich danke Ihnen sehr, daß Sie Ihre Autorität nun schon das zweite Mal dagegen in die Waagschale geworfen haben. Ich hoffe, daß auch die harmlosesten von uns allmählich einsehen, wohin die Reise gehen kann. Wenn das aber nicht der Fall wäre, und eine erweiterte Abwehr dagegen notwendig werden dürfte, dann können Sie auf mich rechnen. Wie Sie aus der beiliegenden Briefabschrift sehen, halte ich nicht nur die demagogischen Unterschriftensammlungen selbst, sondern auch ihre Sache selbst für schlecht. Ich habe den Brief nach einer abendlichen Aussprache mit Carlo Schmid über den Aufruf der zwölf Atomphysiker geschrieben. Darum bitte ich ihn vertraulich zu behandeln. Mit meinen besten Grüßen bin ich Ihr sehr ergebener gez. Martini b) Abschrift Meran, 16.4.57 Sehr verehrter lieber Herr Kollege! Der Aufruf der Atomforscher macht mir umso mehr Kummer, je länger ich darüber nachdenke. Es ist darin alles Sachliche sicher richtig. Aber wo weltweit hätte gedacht werden müssen, ist alles - mit Ausnahme einer kleinen Reservation - nur auf Beutschland bezogen. Es wird uns später nicht entlasten, falls wir sagen sollten, "salvavi animam meam", wenn wir da mitgeholfen haben sollten, den Feind in den Rücken der freien Welt (ich weiß, daß auch sie noch nicht so frei ist, wie sie sein sollte) zu führen. Es kann uns passieren, daß wir so in guter Absicht, aber in Verengerung auf unser eigenes nächstliegendes Heil, die Welt zum zweiten Mal verraten. Auch von Ephialtes ist es zweifelhaft, obe er aus purem Eigennutz gehandelt hat. Sicher ist die Lage ganz anders, viel schrecklicher, geworden, als sie es vor 2300 Jahren war. Aber wenn ich daran denke, was Perikles vor dem Beginn des Lakedämonischen Krieges nur der Macht und der Größe Athens wegen von seinen Mitbürgern alles gefordert hat, und wie wir uns jetzt, wo es um die Freiheit geht, aus der Gemeinschaft absentieren sollen, dann graut es mir. Das sind die Gedanken eines Unpolitischen, dem es aber ehrlich damit ist, daß eben alles erträglicher schiene, (nicht nur für sich) als eine zweite Sklaverei. Ärztlich ist das ein schlechter Abschiedsgruß, aber immer kann nicht mal das Ärztliche dominant sein. Dafür bleiben umso herzlichere ärztliche Wünsche hier bei Ihnen von Ihrem sehr ergebenen gez. Martini; von: Martini, Paul an: Litt; Ort: Bonn