| Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Liebe Frau Jónasson!
Es war mir eine wirkliche Freude, nicht nur von Ihrem und Ihrer Lieben Ergehen zu hören, sondern auch den imposanten Aufmarsch der Familie mit Augen zu schauen. Ein köstliches Bild! Es zeigt, dass Frau Gabriele sich abgerundet, hingegen Herr Mathias "Haare gelassen" hat. Die beiden "Grossen" sind ja wirklich das, was dieser Name besagt. Ich sehe sie noch im Miniaturformat vor mir.
Ihr Vater hat im Alter die Ruhe entbehren müssen. Sie ist auch mir versagt geblieben. Die Depressionen meiner armen Frau haben nicht nachgelassen,und mit ihnen verbindet sich leicht die Gleichgültigkeit, die Sie an Ihrer Mutter beklagen. Meine fortdauernde Tätigkeit ist da das einzig wirksame Heilmittel. Denn dieser Trünsinn hat etwas Ansteckendes. Eigentlich bin ich immer genau so in Trab wie vor meiner Emeritierung.
Gerade bekomme ich eine Nachricht, die einen Ihrer Constudion betrifft. Siegfried Schmutzler, der nachträglich Theologie studiert hat und in Leipzig Studentenpfarrer geworden ist, ist verhaftet worden. Es wird, fürchte ich, einen Schauprozess geben. Er wird sich bestimmt tapfer halten. Es ist ein unsäglicher Jammer mit der Ostzone. Das alte Leipzig ist nicht mehr wiederzuerkennen, äusserlich und erst recht innerlich.
Haben Sie gehört, dass Ihr alter Freund und Gönner Fruin vor einiger Zeit gestorben ist? Ich habe ihn wiederholt in Holland wiedergesehen - ganz der Alte! Lebensfreudig und begeisterungsfähig.
Empfangen Sie mit Ihren Lieben die herzlichsten Grüsse
Ihre Th. Litt; von: Litt an: Jónasson, Gabriele; Ort: Bonn |
