Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0602
TitelBrief von: Litt (Leipzig) an: Jónasson, Matthias
Enthältms; Brief 2 Blatt A4 - Kopie keine Angaben zur Herkunft der Kopien
Zeitvon1947
Zeitbis1947
BemerkungenDokumentenabschrift: Liebes Ehepaar! Gestern hatt ich in Berlin einen Vortrag zu halten. Kraft einer geheimen Sympathie traf am Montag eine Karte ein, durch die ich aufgefordert wurde, in Berlin, "Westhafen", ein Paket aus Island abzuholen. Das Unternehmen, das sich als eine ziemliche Odyssee herausstellte, wurde gestern Morgen durchgeführt, und so kehrte ich mit einem voluminösen Packen nach Hause zurück. Es ist zu schade, daß Sie nicht beide bei dieser Weihnachtsbescherung zugegen sein konnten. Aber Sie werden ja durch die Mitglieder der Familie Graubner unterrichtet sein, was die Zufuhr solcher Lebenselixiere heute bei uns bedeutet. Schon die äußere Aufmachung bedeutet ein Labsal für die Augen, die nur Zerstörtes und Geflicktes zu sehen gewohnt sind. Immer wieder muß gesagt werden: es ist nicht nur der schwache Leib, der dieser Erquickung entgegenjauchzt - es tut auch dem Gemüt unsäglich wohl, wenn man in dieser verirrten Welt Beweise fortdauernder Freundschaft und Hilfsbereitschaft erhält. Denn wir wissen ja ganz genau, was es bei der Zahl derjenigen, die nach Ihrer Hilfe ausschauen, bedeutet, daß Sie sich auch der Litte so freundlich angenommen haben. Merkwürdig, zu beobachten, daß, während sich noch allerlei unbeherrschte Leidenschaften austoben, zugleich die heilenden Kräfte mutig an Werk gehen. Immer wieder der alte Adam mit seinen liebenswerten und seinen verabscheuungswürdigen Eigenschaften! Was wird er sich bei diesem widerspruchsvollen Treiben schließlich wieder als Schicksal zusammenbrauen? Es wäre schön, wenn wir wieder einmal eine beschauliche Unterredung über den Lauf dieser wunderlichen Welt durchführen könnten! Einstweilen von uns dreien herzlichsten Dank für das Gute, das Sie uns armen Würmern angetan haben. Denn das sind wir Deutsche jetzt wirklich - ein geducktes, gedrücktes, dabei zänkisches Volk, das alles tut, um sich die Wiederaufrichtung recht tüchtig zu erschweren. Von uns ist zu melden, daß meine Frau sich kürzlich beim Fall von einer Leiter einen üblen Armbruch geholt hat. Jetzt ist die Besserung im Gange. Unser Rudolf hat eine ziemlich üble Knieverletzung, so daß ich wochenlang der einzige Mensch mit intakten Gliedmaßen war - mit entsprechender Beschäftigung in Haushalt und Besorgungen. Gibt es eigentlich eine Möglichkeit, Ihnen Gedrucktes zuzusenden? Auf dem üblichen Postwege ist es meines Wissens untersagt. Vielleicht irgend eine Vermittlungsstelle? Wir grüßen Sie beide und die Kinder in herzlicher Verbundenheit. Meine Frau will auch gelegentlich von sich hören lassen, wenn sie aus dem Gröbsten heraus ist. Ihre gez. A., R. und Th. Litt; von: Litt an: Jónasson, Matthias; Ort: Leipzig