Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0575
TitelBrief von: Litt (Bonn) an: Braunbehrens, Hermann von
Enthälths; Brief 1 Blatt A5
Zeitvon1954
Zeitbis1954
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens! Ihre freundlichen Wünsche trafen mich in einer ziemlich unerfreulichen Verfassung an. Seit 7 Monaten laboriere ich an den Folgen eines scheusslichen Armbruchs, den ich bei einem unglücklichen Sturz erlitt. Noch jetzt stecke ich in einem <..stenden> Gipskorsett, das nicht vor Mitte Februar abgenommen werden wird. Der Heilungsprozess verläuft in meinem Alter sehr langsam. Den Ausfall der Kur in Gastein verspüre ich sehr. Ich werde sie sobald wie möglich (März?) nachholen. Das Schreiben strengt auch bei intaktem rechten Arm an. Viel Freude hat uns Beatens Bild und Brief gemacht. Sie ist ein reizendes Mädel geworden. Wir können und vorstellen, was sie als zentrales Gestirn Ihrer Häuslichkeit bedeutet! Bei uns ist das Neueste, dass Rudolf ein ordentliches Assessorexamen gemacht hat und nach einer strammen "psychologischen" Prüfung im Innenministerium bei der Verwaltung von Nordrhein-Westfalen angenommen worden ist. Ein erfreuliches Weihnachtsgeschenk. Meine Frau ist seit 7 Wochen wieder zu Hause und es geht bei mancherlei Schwankungen passabel. Mit meiner Universitäts-Tätigkeit habe ich nun Schluss gemacht. Als mein Nachfolger wird vermutlich ein begabter Österreicher, (jetzt Universität Saarbrücken) herkommen. Wenn Sie annehmen, dass der allgemeine Stand der Dinge und die durchschnittliche Seelenverfassung meiner westdeutschen Landsleute mir Pein bereitet, so trifft das zu. Dass man sich an so viel Unbequemen in Vergangenheit und Gegenwart vorbeidrückt, wird sich bestimmt rächen. Jeder Aufenthalt in Berlin ist mir eine Erquickung, weil dort die Luft der Wahrhaftigkeit weht. Dass Sie sich in Ihrer Leistungskraft herabgedrückt fühlen, betrübt mich sehr. Dafür sind Sie doch noch zu jung. - So wohl in Ihrer Wertschätzung v. Jaspers als auch in der Ablehnung von Heideggers orakelndem Geraune bin ich mit Ihnen einig. Ich verstehe Ihre Sorge um die Zukunft Ihrer Familie. Dass man Sie nach so langen Jahren hingebender Arbeit in dieser ungesicherten Stellung lässt, ist einfach ein Skandal. Sollte das vielleicht unter Rucker anders werden? Recht herzliche Grüsse und alle guten Wünsche Ihnen Dreien! Ihre A., R. und Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Bonn