Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0574
TitelBrief von: Litt (Bonn) an: Braunbehrens, Hermann von
Enthälths; Brief 1 Blatt A5
Zeitvon1954
Zeitbis1954
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens! Es freut mich, dass Sie eine wohlgelungene Konfirmationsfeier hatten. Aus dem Bilde von Beate kann man ersehen, zu was für einem - ja, wie sagt man in Bayern? - "blitzsauberen" Mädel sie sich entwickelt hat. Was für ein Herzenstrost wird sie Ihnen beiden sein! Wenn Sie über Überlastung durch Verwaltungsgeschäfte zu klagen haben, so sei Ihnen zum Troste gesagt: bei uns alten Knaben ist es nicht anders. Es liegt im Aufbau des gesellschaftlichen Ganzen begründet, dass mehr verwaltet werden muss denn je. Und dieser Prozess ist nicht mehr rückgängig zu machen. Man muss sich nur hüten, sich von ihm verschlingen zu lassen. Ja, die Genetiker! Davon weis ich zu erzählen. Sie gehören zu den Unbelehrbarsten unter den naturalistischen Denkenden. Aus einem fossilen Backenzahn spinnen sie eine ganze Anthropologie heraus. An ihnen kann man demonstrieren, was das Fehlen der wissenschaftstheoretischen Reflexion an Folgen nach sich zieht. Ich habe mich in einem Vortrag "Mensch und Tier" mit ihnen auseinandergesetzt, aber ohne Verständnis, geschweige denn Zustimmung zu finden. (Nicht im Druck erschienen) Übrigens ist selbst Gehlen bis heute in gewissen Vorurteilen dieser Herkunft befangen. Eine Aussprache mit ihm war menschlich wie wissenschaftlich gleich unbefriedigens. Es gibt eine seelisch-geistige Verstockung, gegen die nicht anzukommen ist. Ihr Urteil über Buber unterschreibe ich Wort für Wort. Ein ebenso reicher wie vornehmer Geist. Wenn man ihm begegnet, dann ermisst man das Erschütternde der Tatsache, das es heute noch bei uns - wenigstens unter den Älteren - einen kräftigen Antisemitismus gibt. So z.B. bei Gehlen. Haben Sie H. Blüher "Werke und Tage" gelesen? Ein Beispiel, was sich der Literat bei uns ungestraft leisten kann. Die Reaktion gegen diese Dreistigkeit bleibt aus. Ja, man spendet Beifall, wenn das Gericht pikant zubereitet ist. - Bei uns gibt es wieder Leid. Meine Frau hat wieder die Anstalt aufsuchen müssen. Immer wieder wird der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weiter geht. Seien Sie mit Ihren Lieben herzlich gegrüsst von Ihrem Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Bonn