Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0564
TitelBrief von: Litt (Bonn) an: Braunbehrens, Hermann von
Enthälths; Brief 1 Blatt A4; Briefkopf: Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bonn
Zeitvon1951
Zeitbis1951
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens! Seien Sie herzlich bedankt für Ihre beiden Festbriefe. Es ist wirklich schön, um die Jahreswende die alten Freunde wenigstens im Geist um sich versammelt zu sehen. Könnte man sie nur noch einmal leiblich beisammen haben, den fernen Isländer eingeschlossen! Man hält sich um so lieber an die alten Kumpane, als das, was an Neuen hinzutritt, nur sehr z.T. Freude bereitet. Ich habe hier einen Kreis von Schülern, die in meinem Sinn zu arbeiten fähig und willig sind, aber die breite Masse der Studenten ist - wenigstens in unserer Fakultät - sehr unbefriedigend. Es fehlt nicht an gutem Willen, aber die geistige Statur ist merh als dürftig. Jede Examenswelle lässt mich mit einem tiefen Katzenjammer zurück. Ich freue mich, im Mai wieder zu Gastvorlesungen nach West-Berlin zu gehen, denn dort herrscht ein anderer, wacherer Geist. Bei uns hat man den Eindruck weitverbreiteter Schlafmützigkeit. Ich bezweifele, dass es in München besser ist. Wenn nur wenigstens die Kollegen für den Stand der Dinge einen Blick hätten! Aber damit hapert es bedenklich. Gestern hat mir in der Tat ungemein wohlgetan, und wenn die Umstände es gestatten, werde ich nächstes Jahr wieder hingehen - hoffentlich mit Wiederholung des Münchener Rendevouz! Für alte Knaben gibt es keine wirksamere Verjüngung. - Aber für ausreichenden Schlaf müssen Sie wirklich sorgen! Sonst verbrauchen Sie sich vor der Zeit. Ich köntte das Meinige nicht leisten, wenn ich nicht ausreichend und tief schliefe. 1/2 11 in die Klappe! - Lerschs Werk kenne und schätze auch ich. Er ist wirklich der einizige Psychologe, der das Verhältnis zur Philosophie richtig sieht. Wenn mein Hegelbuch herauskommt, werden Sie sehen, wie viel man aus der Lehre vom "subjektiven Geist" noch heute lernen kann. Über Ihre Arbeitserfolge in Regensburg freue ich mich sehr. Wenn Sie sich anderwärts bewerben, so können Sie jedesmal meine Bereitschaft zu gutachterlicher Äusserung anführen. Ich bin ja in den Volkshochschulen von Rheinl.-Westfalen gut bekannt. In dem von Ihnen genannten Remscheid habe ich in diesem Jahr dreimal gesprochen. Ich merke, wie sehr die Volkshochschulen nach Arbeitsintensität und Lehrerfolg voneinander abweichen. Meist ist es in den mittelgrossen Städten besser als in den eigentlichen Grossstädten, die durchweg überfüttert sind. - Wie schön, dass sich Beate so gut herausgemacht hat! Das Bildchen, dass sie zusammen mit dem zärtlichen Vater darstellt, ist reizend. Es wäre schön, sie einmal in Regensburg zusammen mit den Eltern zu beaugenscheinigen. Wäre es nur nicht so weit weg. Anfang November war ich in Angelegenheiten des "Instituts zur Erforschg. d. Gesch. d. Nationalsozialismus" in München. Aber das ging notgedrungen im FD-Zug-Tempo vor sich. Und schon die Fahrt kostet über 100 M! Nächsten Montag bin ich zu einer Industrie-Tagung in Augsburg - aber auch da geht es atemlos hin und her. Einstweilen halte ich das alles gut aus. Ich wünschte, ich könnte auch von meiner Frau Günstiges berichten. Aber leider geht es da nicht nach Wunsch. Zwar hat sich ihre allgemeine Gemütslage so weit gebessert, dass sie mit uns in leidlicher Stimmung Weihnacht begehen konnte. Aber gleichzeitig hat ihr Gedächtnis erheblich nachgelassen. Sie wird nicht mehr sich selbst gewinnen. Viel Sorgen macht mir Steger. Soeben habe ich die didaktisch ausgezeichnete Arbeit gelesen, um deren Drucklegung Sie sich bemühen. Haben Sie einen Verlag, der sich dafür interessiert? Ich will mich gerne gutachterlich äussern. Nun aber mit frischen Fahrtwind ins neue Jahr! Wir grüssen Ihr Dreiblatt von Herzen! Ihre A., R. und Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Bonn