Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0561
TitelBrief von: Litt (Bonn) an: Braunbehrens, Hermann von
Enthälths; Brief 2 Blätter A5
Zeitvon1951
Zeitbis1951
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens! Ihr ausführlicher Bericht erfreute sehr. Den Zustand des gehetzten Mannes, der immer wieder vom Briefschreiben abgehalten wird, kenne ich nur zu gut. Dieser Zustand hat sein Quälendes, aber auch sein Gutes. Man ist so oft in Gefahr, ins Grübeln zu geraten, dass die Beanspruchung zur heilsamen Ablenkung wird. Die erfahrungen, die Ihnen das Gemüt bedrücken, sind auch mir geläufig. Auf allgemeinen Beifall kann nur der rechnen, wer sich mit mystisch - umdunkelten Hintergünden präsentiert. Ob es Antroposophie, Astrologie, das "kollektive Unbewusste" oder sonst was ist, das ist von sekundärer Bedeutung. Hauptsache ist, dass das Gemüt mit dunklen Ahnungen gespeist wird. Selbst die Ingenieure wollen auf ihren "Dämon" in der Technik nicht verzichten und verbünden sich darin mit gewissen protestantischen Theologen, denen der Teufel mindestens so wichtig ist wie der liebe Gott. Ich habe oft das Gefühl, dass wir, die wir unser Denken nicht verabschieden wollen, Glieder eines aussterbenden Geschlechts sind. Dazu kommt dann etwas, was sie in Ihrem Arbeitskreis nicht so verspüren: die geistige Inferiorität eines grossen Teils der jungen Menschen, die sich in den Universitäten drängen, und die Unfähigkeit der Fakultäten, dem mit Erfolg zu begegnen. Hier in Bonn ist das Sinken des Niveaus wahrhaft erschreckend, und von München schreibt mir Kollege Clemen, einer der wenigen kritischen Köpfe, genau das Gleiche. An den Hochschulen ist das Gefühl für Qualitätsdifferenzen so geschwächt, dass ich mich oft frage, ob die Nazis es wirklich fertig gebracht haben, den Geist bei uns endgültig zu exstirpieren. Das gilt auch und besonders von meinen philosophischen Spezialkollegen (Rothacker, Behn, Thyssen). Das Elend der Doktorarbeiten ist unbeschreiblich. Widerstand leistet nur eine kleine Minorität. Kurz und gut: Katzenjammer! Dass sich mit dieser allgemeinen Senkung auch eine Trübung des politischen Urteils verbindet, versteht sich von selber. Ich nehme an, dass Sie wie ich darüber empört sind, welches Gesindel bei uns wieder den Kopf zu erheben wagt, ohne dem tausendfach verdienten Widerspruch zu begegnen. Auch das reicht bis in die Universitätskreise hinein (Carl Schmitt!) Sehr leid tut es mir, dass Sie in Regensburg keinen wirklich bereichernden Umgang gefunden haben. In meinem Alter hält man das leichter aus, aber Sie und Ihre liebe Frau sind noch zu jung, um diese Lebensbereicheerung entbehren zu können. Wie vieles bot mir im gleichen Alter das Leipzig von dazumal! Wobei mir natürlich auch Haus Kippenberg mit seinem geisterfüllten Gästekreis einfällt. , der dichtende Philosoph, ist mir wohlbekannt. In Dorpat bin ich bei ihm zu Gast gewesen. Später hörte ich, er habe sich höchst nazistisch geberdet. Ich weiss aber nicht, ob das zutrifft. Der Ton der Dichtung lässt auf die freundliche Atmosphäre schliessen, die Sie sich in Ihrem Arbeitskreis geschaffen haben. Es ist ein Vorzug, nur mit Hörern zu tun zu haben, die freiwillig mitmachen. Ich habe hier recht oft mit kümmerlichen Muss-Philosophen zu tun, die ich am liebsten zur Tür hinausbefördern würde. Sehr beterübt sind wir, von Beatens Infektion zu hören. Und das bei dem gesunden Leben in Eichhofen! Nehmen Sie die Sache nur ja recht ernst! Ein Glück, dass sie in eine Heilstätte kommt. Nur ja den Aufenthalt daselbst lange genug ausdehnen! Wir kennen ja diese Sorgen nur zu gut. Interessant und lehrreich, was Sie von dem armen Kroner erzählen. Immerhin tut ja in diesem Falle Deutschland dasjenige, wozu es verpflichtet ist. Ich kenne Fälle, in denen selbst damit gezögert wurde. Wie sollten feinfühlige Juden in dem Deutschland von heute wieder heimisch werden! Wer weiss, was wir noch an Antisemitismus erleben werden. Auch das gehört ja in das oben gestreifte Kapitel. Vielleicht sehen wir uns wirklich in den Herbstferien wieder. Ich mache vom 21.8. bis 18.9. auf ärztlichen Rat eine Kur in Gastein. Vielleicht lässte es sich auf einer der Reisen mit einer Begegenung einrichten. Das Einzelne hängt noch davon ab, wann und wo ich mich mit Spranger treffen werde. Sie werden noch von mir hören. Meine Frau ist jetzt wieder daheim. Sie ist ihre Depressionen nicht los geworden, aber leidet zur Zeit nicht so stark unter ihnen (Bitte nichts über dieses Kapitel zu schreiben! - sie liest Ihre Briefe gerne) Die Alte wird sie nicht wieder werden. In alter Freundschaft Ihrem Trifolium herzliche Grüsse! Ihre Litte; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Bonn