Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Hochverehrter, lieber Herr Professor!
Es wird höchste Zeit, daß ich Ihnen endlich für Ihren lieben Besuch in Eichhofen und Regensburg danke, der uns wieder so viel Freude bereitete. Aber Sie werden mir den verspäteten Dank gewiß nicht verübeln, nachdem Sie durch meine Erzählungen in Regensburg einen Einblick in meinen sehr umfangreichen Arbeitsbereich bekommen haben. Für mich war es natürlich ein besonders hoher Genuß, mich einmal wieder ausgiebig mit Ihnen aussprechen zu können. In der heutigen Zeit, in der man sich schon fast wieder in die gleiche Isolation wie unter den Auspizien des dritten Reiches versetzt fühlt, empfindet man es als doppeltes Glück, sich in der Beurteilung aller entscheidenden Lebensfragen bis hinein in die politischen Tagesprobleme durch den verehrten Lehrer bestätigt zu finden. Die Wiederbegegnung mit Ihnen hat mir so in jeder Weise neuen Mut und Kraft gegeben. Aber auch bei allen anderen, die mit Ihnen in diesen Tagen zusammengekommen sind, hat Ihr Besuch die besten Erinnerungen hinterlassen. Über Ihren Vortrag habe ich nur begeisterte Urteile zu hören bekommen und das will in dem rabenschwarzen Regensburg wahrlich nicht wenig besagen! Wenn Sie jetzt - hoffentlich recht bald! - einmal wieder hierher kommen, dann ist Ihnen Ihr Publikum sicher, und ich brauche mir keine Sorgen um den Saal zu machen! Auf diesen Erfolg bin ich so stolz, als ob es mein eigener wäre. Wir werden es schwer haben, für die nächste Eröffnungsfeier im Februar einen Festredner ausfindig zu machen, der nach Ihnen nicht als Abstieg beurteilt werden wird.
In unserem häuslichen Leben hat sich seit Ihrer Heimkehr kaum eine nennenswerte Veränderung vollzogen. Beates anstrengende Schulfahrten sind noch immer unsere größte persönliche Sorge, doch haben wir nun endlich Aussicht, bald eine Wohnung in der Stadt zu bekommen, nachdem mir von sechs neuen Beamtenwohnungen, die dort z.Zt. gebaut werden, eine fest zugesagt worden ist. Wir werden uns zwar nicht ganz leicht von unserer schönen ländlichen Umgebung trennen, aber die Tatsache, daß wir dann endlich wieder ein geordnetes Familienleben führen können und unser Kind einen wesentlich bequemeren Schulbesuch hat, läßt uns doch dieser Lösung mit Sehnsucht entgegensehen. Auch für meine Frau wird diese Veränderung manche Erleichterung mit sich bringen, nachdem sie doch sehr unter der Eichhofener Enge gelitten hat und die Aussicht, eine neu hergerichtete Dreizimmerwohnung zu erhalten, ihrem sehr ausgeprägten weiblichen Ordnungssinn begreiflicherweise sehr schmeichelt.
Unser Volksbildungskongreß in Burghausen, von dessem nahem Bevorstehen ich Ihnen damals in Regensburg erzählte, hat teilweise einen durch heftige persönliche Auseinandersetzungen hervorgerufenen stürmischen Verlauf genommen, der dann auch zur völligen Neuwahl des Vorstandes führte. Ich selbst habe mich aus diesen persönlichen Zwistigkeiten gänzlich herausgehalten und ebenso auch eine Wahl in den Vorstand im Hinblick auf mein Amt in der Regierung abgelehnt. Dagegen habe ich nicht versäumt, meine Forderung nach Erhaltung der Überkonfessionalität und Überparteilichkeit der Volkshochschulen mit aller gebotenen Schärfe geltend zu machen. Angesichts der deutlich wahrnehmbaren Zustimmung der Mehrzahl der anwesenden Volksbildungsleiter haben es die Gegner dieser Anschauung denn auch nicht für opportun erachtet, ihren Widerspruch offen zu bekunden, sondern hüllten sich stattdessen in vielsagendes Schweigen, so daß diese Frage mangels einer offenen gegnerschaft gar nicht zum Austrag kam. Doch habe ich keinerlei Anlaß, mich dieses "Sieges" zu rühmen, denn die Macht in Bayern liegt doch eindeutig in der Hand derjenigen, die die gesamte Kulturpolitik im Hundhammerschen Geiste unter Kuratel der Kirche stellen wollen, und diese werden nach der offenen Bekundung meines Standpunktes sehr interessiert daran sein, mich auf irgendeine Weise aus meiner jetzigen Stellung zu entfernen. Aber über diese persönlichen Sorgen und Kämpfe hinaus nimmt die politische Gesamtentwicklung in Deutschland ja einen so eindeutigen, auf die Restauration aller nationalistischen Haßgefühle gerichteten Verlauf, daß unsereiner sich ohnehin mit dem Gedanken vetraut machen muß, der Feme in dieser oder jener Form zu verfallen. Ich nehme an, daß Sie die entsprechenden Symptome genau so gut wahrgenommen haben wie ich, so daß ich mir die Belege ersparen kann.
Ich lege diesen Brief einer mir für Sie übergebenen Sendung Frau v. Brauns bei, die Ihnen einem gegebenen Versprechen gemäß einige Aufsätze über Thomas Mann mit besten Grüßen überreichen läßt. Wie sind Sie eigentlich damals nach Ihrem Abschied von Regensburg nach Haus gekommen? Hat die lange Bahnfahrt Sie nicht zu sehr ermüdet und ist Ihnen Ernst Hardt mit seinem Don Hjalmar ein unterhaltender Reisegefährte gewesen? Ihre Karte, für die ich Ihnen auch im Namen meiner Frau übrigens noch sehr herzlich danke, enthielt leider keine Einzelheiten hierüber.
Empfangen Sie bitte mit Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin und Ihrem lieben Sohn unsere herzlichsten Grüße und besten Wünsche!
In treuer Verehrung!; von: Braunbehrens, Hermann von an: Litt; Ort: Eichhofen |