Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens!
Vielen Dank für Ihr ausführliches Glückwunschschreiben. Es ist immer eine Freude an solchen Tagen, alte und junge Freunde im Geist um sich versammelt zu sehen.
Ja, es ist mir erwünscht, nunmehr aus dem Amt auszuscheiden. Vor allem sind es die Examina, von denen entbürdet zu werden mich dringend verlangt. Bei der menschlichen und geistigen Qualität vieler Studierenden ist man zu oft dazu verurteilt, den Henker zu spielen. Und schliesslich soll man auch aufhören, bevor die Leute kopfschüttelnd die Anzeichen des Rückgangs feststellen.
Den "Schatz im Silbersee", den Beate jetzt vermutlich verschlingt, habe ich als Quartaner oder Untertertianer im "Guten Kameraden" mit wonnigen Erschaudern genossen. Ich habe den Purismus, der der Jugend diesen Genuss entziehen will, nie verstanden.
Was Sie mir von der Schwedenreise berichten, hat mich als Ergänzung eigener Beobachtungen sehr interessiert. Ist Ihnen nicht die Entfremdung weiter Kreise von jeder tieferen sei es philosophisch sei es religiös zu erfassenden) Lebensproblematik aufgefallen? Der Protestantismus scheint doch völlig konventionalisiert zu sein, ohne dass etwas anderes an seine Stelle getreten wäre. - Ulrich Herz ist mir samt seiner Familie aus Leipzig wohlbekannt. Traurig, dass es wohl sein Vater als auch sein Bruder sich ganz in das Gefolge des Kommunismus begeben haben. Es ist darob in Leipzig und Rostock grosse Empörung.
Dass Ihre dienstlichen Verhältnisse sich verschlechtert haben, höre ich mit grossem Bedauern. Ist es denn nicht zu Verhandlungen mit Bremen gekommen? Ich habe nie eine Anfrage erhalten.
Steger macht mir nach wie vor grosse Sorgen. Das kann eines schönen Tages im schlimmsten Sinne schief gehen. Wäre er nur rechtzeitig fortgegangen wie Reble! Jetzt stossen alle meine Bemühungen auf den Drahtverhau entgegenstehender Bestimmungen, denen ich nicht einmal jeden Sinn absprechen kann.
Bad Gastein hat mir auch in diesem Jahre sehr wohlgetan. Wirklich ein Bad der Verjüngung für alte Knaben! Wenn es geht, werde ich 1953 abermals dorthin gehen. Vielleicht lässt sich damit ein treffen kombinieren.
Wir wünschen Ihnen, dass das Jahr 1953 die erhoffte Änderung der Lebenssituation bringt. In diesem Sinne Ihrem Trifolium herzliche Grüsse
von Ihren A., R. und Th. Litt
Die Familienaufnahme ist wirklich reizend. Warum sind Sie mit Ihrem "Erscheinungsbild" so wenig zufrieden?
Hat Ihnen v. Campenhausen meine Grüsse aus Würzburg bestllt? Ich freute mich, ihn dort wiederzusehen.; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Bonn |