Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0545
TitelPostkarte von: Litt (Stockholm) an: Braunbehrens, Hermann von
Enthälths; Postkarte 10,5 x 14,8 cm
Zeitvon1948
Zeitbis1948
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr v. B.! Wie freue ich mich, dass auch Sie einmal die Luft der freien Welt atmen konnten. Ich geniesse Sie jetzt in dieser wahrhaft zauberhaften Stadt als Gast des schwedischen Staates. Es ist wirklich viel, was die Umwelt tut, um die Fäden wieder anzuknüpfen. Die Schweiz hat mich bei meinem Besuch sehr sympathisch berührt. Ich hatte so viel Aufgeschlossenheit - von der grossartigen Gastlichkeit zu schweigen - nicht erwartet. Ja, diese Schweizer Demokratie ist etwas ungewöhnlich Glückliches. Entsprechendes findet man vielleicht in Schwaben. Anderwärts ist es bei uns nicht möglich. - Was Sie über fortdauernden deutschen Dünkel sagen, kann ich auf Grund neuerlicher Erfahrungen nur bestätigen. Wie soll diesem unseligen Volk geholfen werden? Aber wird die Welt sich überhaupt aus ihrem Wirrsal herausfinden? - Hier in Schweden steht man, scheint mir, den gesamteuropäischen Seelenenöten ferner als in der Schweiz, übt aber dabei eine wirklich grossartige Gastfreundlichschaft (staatlich und privatim). Ich geniesse die Ruhe sehr, habe endlich ein lange geplantes Hegelbuch anfangen können. Freilich nach der Rückkehr wird man wieder in den Strudel hineingerissen. - Mit Kiel haben Sie, fürchte ich, Recht. Regierungsdirektor Schönbrunn wollte mich im September besuchen, aber da war ich schon fort. Mainz war als Heuschau interessant (stark vertreten der Katholizismus, auch d. ausländische, auffallend schwach die Existentialisten) Mir war dieser erste Kongress nach 15 Jahren Klausur als Möglichkeit der Aussprache eine Wohltat. Das ist ja immer die Hauptsache. Der Vortrag wird gedruckt werden. Engert hat mir sehr gut gefallen. Er verdient bestimmt Vertrauen. Die Zitate aus Rothacker waren auch mir begegnet. Ich kannte sie nicht. Und unbekannt ist mir das in d. Tat hahnebüchene Wort Th. Häring? von Freyer. Liegt da keine Verwechslung vor? Womit ich ihn weiss Gott nicht verteidigen will. Alle diese Leute wissen virtuos zu vergessen. Tillich, der einen sehr guten Eindruck machte, sprach ich leider nur ganz kurz. Er hat aus Amerika vieles gelernt, wie er bekennt. Interessant auch der Vortrag v. G. Krüger. Restaurationsstimmung! - Entschuldigen Sie die Karte. Ich bin tief in der Arbeit. Viele Grüsse Ihnen, Ihren Lieben und auch Ihrem Vetter mit Gattin. Ihr Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Stockholm