Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Sehr verehrter Herr Professor!
Das un Abschrift beigefügte Schreiben erhielt ich heute und möchte es gleich an Sie weiterleiten, da ich gerne Ihren Rat dazu erbitten möchte. Zunächst darf ich fragen: verdanke ich dieses in mehrfacher Hinsicht sehr überraschende Schreiben vielleicht Ihrer freundlichen Empfehlung? Möglich wäre freilich auch, daß es auf eine aus dem Jahre 46 stammende Bewerbung meinerseits um Anstellung an der Kieler Pädagogischen Akademie zurückgeht. Oder sollte etwa - Wunder aller Wunder! - der Ruf meiner Regensburger Volkshochschularbeit bereits bis nach Kiel gedrungen sein?! Auf jeden Fall dürfte es eine zum Schmunzeln verlockende Ironie darstellen, daß man mich an dieselbe Universität berufen will, mit deren hochachtbarer Magnifizenz ich gerade eine delikate Auseinandersetzung wegen der ominösen Ludendorff-Geschichte hatte! (Vermutlich ahnt das Schleswig-Holsteinische Ministerium nichts davon?) Ob man, wenn das bekannt wird, an der löblichen Absicht festhalten wird?
Nun zur Sache selbst. Daß ich mit tausend Freuden gerade nach Kiel in das mir so vertraute norddeutsche Milieu und die Heimat meiner Frau gehen würde, bedarf keiner weiteren Rede. Es würde sich, kurz gesagt, mit unseren innersten Wünschen und Sehnsüchten decken! (Daher schimpft mich meine Frau auch aus, daß ich mir diese Chance durch meine Einmischung in die Ludendorff-Affäre gefährdet habe!) Aber -: was heißt denn das nun wieder: "Pädagogische Fakultät"? Vermutlich ist diese Einrichtung doch nur für die Kandidaten des höheren Lehramtes gedacht, nachdem die anderen ja doch ihre entsprechende Unterweisung bereits auf der dort bestehenden Pädagogischen Akademie beziehen? Und einen speziell pädagogischen Lehrauftrag anzunehmen, fühle ich mich nun doch als Philosoph nicht ganz befugt, es sei denn, daß ich mich vorher sehr intensiv mit diesem besonderen Stoffgebiet befassen könnte, Für mich käme danach die Sache eigentlich nur in Betracht, wenn man mir einen Auftrag für Vertretung der neueren deutschen Philosophie und vielleicht - ähnlich wie Sternberger in Heidelberg - zusätzlich für politische Wissensbildung erteilen würde. Was halten Sie davon? Daß ich überglücklich wäre, wenn ich den Regensburger Staub mir von den Füßen schütteln könnte, und daß auch die Universität selbstverständlich einen großen Anreiz auf mich ausübt, brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen. Freilich, die Leitung einer Heinvolkshochschule zu übernehmen, würde mich aus mehrfachen Gründen vielleicht noch mehr locken -, aber wer weiß, ob für solche Einrichtungen nach der Währungsreform noch Geld übrig sein wird?
Ich muß leider schließen, weil ich sonst nicht mehr aus dem Regierungsgebäude herauskomme. Darf ich Sie, sehr verehrter Herr Professor, um eine möglichst baldige, wenn auch vielleicht nur kurze Stellungnahme bitten, da ich meine Antwort nach Kiel solange aufschieben möchte? Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar dafür. Meinen ausführlichen Bericht werden Sie ja inzwischen erhalten haben?
In Eile Ihnen und en Ihrigen herzliche Empfehlungen!
In herzlicher Ergebenheit; von: Braunbehrens, Hermann von an: Litt; Ort: Regensburg |