Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens!
Es war uns eine große Freude, durch Ihre liebe Frau wieder einmal eine mündliche Schilderung über Ihre Lebensumstände zu erhalten. Sehr betrübt hat es uns, daß Beatens allgemeiner Körperzustand zu wünschen läßt. Wir wiederholen dringend den Rat einer ganz gründlichen ärztlichen Untersuchung. Durch rechtzeitiges Eingreifen läßt sich manches Schwere verhüten. Auch Sie müssen es erfahren: Kinder sind unser Glück und gleichzeitig unsere angreifbarste Stelle. Und je älter sie werden, um so zahlreicher die Möglichkeiten der äußeren und inneren Schädigung. Man möchte helfen, möchte verhüten - und kann es doch nicht.
Ich freue mich sehr, daß Sie an Ihrer Lehrtätigkeit so viel Freude haben und daß Ihnen der Erfolg blüht. Vielleicht läßt sich doch noch der Übergang zu einer noch mehr zusagenden Form der Ausübung finden. Haben Sie nicht die Zeit, wieder einmal etwas Größeres zu schreiben? Für die Philosophie ist jetzt ohne Frage günstige Zeit. Die Gemüter sind - wenn man von den Stumpfen und Verstockten absieht - aufgewühlt und suchen Antwort auf Fragen, denen nur die Philosophie gewachsen ist. Ich selbst habe eine größere Reise hinter mir, die mir in dieser Hinsicht die bemerkenswertesten Aufschlüsse gegeben hat. Allerdings hat sie mir auch von dem Aufsteigen eines starrsinnigen Konfessionalismus beachtliche Proben verschafft. Alles ist in Gärung, und niemand kann voraussehen, was sich einmal herausgestalten wird. Wir können nichts anderes tun, als in aller Ruhe sagen, was uns richtig scheint und was auszusprechen wir uns für verpflichtet halten. Wir werden uns dadurch mancherlei Gegenerschaft zuziehen.
Von München habe ich nichts mehr gehört. Es ist aber als Frucht der besagten Reise etwas anderes im Reifen, was sich bis zum August endgültig klären muß. Es ist heute nicht leicht, Entscheidungen von solcher Gewichtigkeit zu fällen. Übrigens wird es Sie interessieren, zu hören, daß neuerdings Rothacker wieder beurlaubt ist.
Über das Schicksal des Briefes, den ihre Frau freundlichst mitnahm, brauchen Sie beide sich keine grauen Haare wachsen zu lassen. Ich habe noch einmal an Flitner geschrieben. Auch um unsere Gesundheit brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Wir beginnen uns von der Kälte zu erholen, und es kommen jetzt auch schweizer und amerikanische Pakete, die uns wohltätig auffrischen.
Für die freundliche Einladung Ihres Vetters sind wir herzlich dankbar. Alles wird von der Verwirklichung der angedeuteten Pläne abhängen. Kollege Schücking wollte mich im August für einen Ferienkurs in Garmisch heranziehen. Das ließe sich ja vielleicht mit einem Besuch in Eichhofen kombinieren. Es ist ja auch wirklich an der Zeit, daß wir wieder einmal zusammenkommen. Auf der besagten Reise hatte ich auch Begegnungen mit alten Schülern, die mir wirklich das Herz erwärmt haben. Zugleich hat der Zauber der alten Heimat mächtig gewirkt. Man wird immer mehr retrospektiv.
Hören wir also nicht auf, in der angedeuteten Richtung zu hoffen! Seien Sie alle drei herzlich gegrüßt
von Ihren
gez. A. und Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Leipzig |