Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Hochverehrter Herr Professor!
Leider muß ich Ihnen heute eine recht betrübliche Mitteilung machen: auf der Rückreise von der Leipziger Messe wurde meiner Frau bei einer Gepäckkontrolle durch die amerikanische Militärpolizei der von Ihnen mitgegebene Brief an Prof. Flitner abgenommen. Obwohl meine Frau sofort geltend machte, daß sie lediglich vergessen habe, den Brief in Leipzig in den Kasten zu werfen, nahm man ihr das Schreiben mit dem Bemerken ab, daß die Beförderung von Briefen durch Privatpersonen verboten sei. Auf Befragen erklärte man ihr zwar, daß der Brief nach Passierung der Zensur weitergeleitet werde, aber Mitreisende meinten, daß die Vernichtung des Briefes wahrscheinlicher sei, da man ihr keine Geldstrafe für die Mitnahme des Schreibens auferlegt habe. Aus diesem Grunde dürfte es sich auch empfehlen, daß Sie noch eine Zweitschrift des Briefes an Prof. Flitner abgehen lassen, um auf alle Fälle die Gewähr zu haben, daß dieser in den Besitz der ihm zugedachten Mitteilungen gelangt. Es tut uns sehr leid, Ihnen diese Unannehmlichkeit bereiten zu müssen, aber meine Frau trifft kaum ein Verschulden daran, da sie mitten in der Nacht völlig unvorbereitet dieser unerwartet gründlichen Kontrolle unterworfen wurde.
Wie sehr ich mich gefreut habe, durch meine Frau wieder einmal auf Grund persönlichen Augenscheins über Ihre Lebensumstände und Ihr Ergehen unterrichtet zu werden, brauche ich Ihnen gewiß nichtbesonders zu sagen. Das, was ich dabei erfuhr, hat mich freilich zu einem großen Teil tief bekümmert und mir ernste Sorge um Ihre Gesundheit bereitet! Wie sehr wünschte ich, daß doch nun endlich auch für Sie eine Zeit der Erleichterungen und weniger großen Entbehrungen anbrechen möge! Lassen Sie sich doch nur ja nicht durch noch so gut gemeinte Überredungskünste anderer, die die wahren Verhältnisse optimistisch verkennen, von der konsequenten Verfolgung Ihrer Pläne abhalten! Vor allen Dingen aber hoffe ich, daß wir Sie allen Schwierigkeiten zum Trotz doch noch alle drei im Sommer zur Erholung hier in Eichhofen empfangen können! Wenigstens diese eine Hoffnung wird man wohl doch mit dem bevorstehenden Friedensvertrag verbinden können, daß er die strenge Zonenabgrenzung wenn auch vielleicht nicht gänzlich aufheben, so doch mindestens etwas auflockern wird!
Inzwischen habe ich nun auch Ihren freundlichen Brief vom 18.2. erhalten und mich sehr darüber gefreut! Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, darin wieder so weitgehende Übereinstimmung in allen Fragen in Bezug auf die geistige Erneuerung unseres Staatswesens zu erkennen. Auch in der Beurteilung des Manuskripts von Muhs gehe ich ganz mit Ihnen konform; glaube aber, daß man die Schrift auf Grund des reichen, in gefälliger Form verarbeiteten Stoffes trotz ihrer mangelnden Selbständigkeit zum Abdruck empfehlen kann. - Der Hörerkreis in meiner philosophischen Vortragsreihe wächst von Mal zu Mal! Jetzt sind es schon 94 Hörer aller Berufs- und Altersgruppen! In der literarischen Gesellschaft hielt ich kürzlich unter allgemeiner Zustimmung einen Vortrag über Kleist unter besonderer Berücksichtigung des "Homburg" - eine nicht unheikle Angelegenheit!; von: Braunbehrens, Hermann von an: Litt; Ort: Eichhofen |