Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Hochverehrter Herr Professor!
Endlich, eine Stunde vor Abfahrt meiner Frau zur Messe nach Leipzig, komme ich dazu, Ihnen für Ihren gütigen Brief vom 3.7. sowie für die Besorgung der Inschriften der Deutschen Bücherei zu danken! Meine Tage waren wieder so mit angespannter Arbeit ausgefüllt, daß es mir leider unmöglich war, Ihnen vorher zu schreiben. Ich tröste mich aber damit, daß meine Frau, die diesmal eine ganze Woche in Leipzig verweilen kann, Ihnen ausgiebig von allem berichten kann, was sich in der Zwischenzeit bei uns begeben hat. Sehr traurig aber bin ich darüber, daß aus unserer geplanten persönlichen Begegnung im September nichts wird, weil Sie von Ihrer beabsichtigten Reise zum Philosophenkongreß nach Garmisch Abstand nehmen mußten! Hoffentlich haben dafür wenigstens Ihre Umsiedlungspläne inzwischen greifbare Gestalt angenommen! Ich bin überzeugt, daß die inzwischen geschehene politische Entwicklung der DingeSie in der energischen Verfolgung dieser Pläne nur bestärkt hat. Wieviel unendliche Schwierigkeiten dabei zu überwinden sind, kann ich mir wohl ausmalen, aber ich glaube und hoffe doch, daß Sie hinterher froh und zufrieden sein werden, keine Anstrengung hierfür gescheut zu haben! Auch Ihr Sohn wird Ihnen das später gewiß einmal sehr zu danken wissen!
Mit Staunen und Bewunderung habe ich gelesen, wieviel verschiedene Arbeiten Sie im Druck haben! Ich bin beglückt über ein solches Maß ungeschwächter geistiger Produktivität bei Ihnen und kann es kaum erwarten, bis ich die erste Arbeit in den Händen halte! Leider komme ich selbst über meiner neuen Tätigkeit kkaum noch zum eigentlich wissenschaftlichen Arbeiten. Aber das Bedauern, das ich hierüber empfinde, wird aufgewogen durch die Gewißheit, unmittelbar dem Leben und seinen Anforderungen dienen zu können. Und da ich mich nun einmal der Volksbildungsarbeit verschrieben habe, will ich mich dieserArbeit auch ganz und ungeteilt widmen. Auf diesem Gebiet aber scheint mir z.Zt. keine Erziehung so dringlich und notwendig wie, die politische. Aus diesem Grunde habe ich mich auch entschlossen, im kommenden Semester neben einer Goethe-Vorlesung eine Reihe von 8 Rundtischgesprächen über konkrete Fragen der Politik, namentlich der politischen Ethik abzuhalten. Müssen nicht alle unsere Bemühungen scheitern, wenn es nicht endlich gelingt, die Humanität auch im Politischen zu verankern?! Näheres hierüber werden Sie aus unserem neuen Arbeitsplan ersehen, den ich Ihnen am Dienstag durch die Post übersenden werde.
Ich muß leider schließen, weil meine Frau, die schon ganz vom Reisefieber erfüllt ist, aufbrechen will. Ein Bild von der kürzlichen Eröffnung der Regensburger Volksbücherei sowie einen Bericht von einer Arbeitstagung der Volksbildungsleiter unseres Reg.Bez., aus dem Sie die Art meiner Tätigkeit ersehen mögen, lege ich bei.
Alles Gute Ihnen, hochverehrter Herr Professor und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin!
In treuer Ergebenheit
Stets Ihr; von: Braunbehrens, Hermann von an: Litt; Ort: Eichhofen |