Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0522
TitelBrief von: Braunbehrens, Hermann von (Eichhofen) an: Litt
Enthältms; Brief 2 Blatt A5 - Durchschlag
Zeitvon1946
Zeitbis1946
BemerkungenDokumentenabschrift: Hochverehrter Herr Professor! Haben Sie herzlichsten Dank für Ihren freundlichen Kartengruß vom 28.11.! Wir haben uns beide sehr gefreut, dass Sie endlich einmal unserem oft wiederholten Wunsche entsprochen und sich etwas von unserem Weinvorrat zu Gemüte geführt haben! Wie schön, dass Sie dadurch einmal ein anregendes und über die vielen Tagesmiseren erhobenes Stündlein gehabt haben! Das Leben wäre in der heutigen Zeit auch gar zu fad und trostlos, wenn man sich durch solche Stimulantia nicht ab und zu einen kleinen körperlichen und seelischen Auftrieb verschaffen könnte. Bei mir wird diese aufputschende und lösende Wirkung vor allem dann hervorgerufen, wenn ich einmal in den seltenen Genuß von ein paar Zigaretten komme. Inzwischen werden Sie hoffentlich meinen ausführlichen Bericht von meiner Stuttgarter und Tübinger Reise vom 8.11. bekommen haben? Leider haben sich meine Verhandlungen mit dem Stuttgarter Verleger Klett bezüglich der Herausgabe des antinazistischen Schrifttums von 1933-45 zerschlagen, weil dieser sich nicht bereit zeigte, die Sache in ausreichender Weise wirtschaftlich zu fundieren, sondern mir das ganze finanzielle Risiko des Werkes aufbürden wollte. Unter diesen Umständen mußte ich leider auf die Durchführung dieser schönen Aufgabe verzichten und mich stattdessen trotz aller Bedenken dazu entshließen, das mir angebotene Referat für Volksbildung bei der Regensburger Regierung anzunehmen. Seit dem 1.12.übe ich dieses Amt bereits aus und bin zu diesem Zweck nach Regensbrug übergesiedelt, wo ich eine Junggesellenbude bezogen habe. Wenn man von dem langweiligen behördlichen Drum und Dran absieht, handelt es sich dabei um eine recht interessante und fruchtbringende Tätigkeit, die zudem noch sehr gut entlohnt wird (monatlich RM 650- Bruttogehalt). Ich befürchte nur, dass ich mich in diesem Amt nicht allzu lange werde halten können, da das Mißtrauen und die Widerstände sowohl von katholischer, wie von bayrisch-lokalpatriotischer Seite gegen mich sehr groß sind. Schon meine Einstellung erfolgte seitens der Regierung äußerst widerwillig und nur auf entsprechenden Druck durch das Ministerium und die Militärregierung, der ich durch einen New Yorker Kollegen Kroners, Prof. Niebuhr, wärmstens empfohlen worden war. Da aber inzwischen durch den überwältigenden Wahlsieg der CSU in Bayern der reaktionäre, katholisch-bajuwarische Kurs noch eine sehr erhebliche Stärkung erfahren hat und im Zusammenhang damit auch eine weitgehende Umbesetzung im Kultusministerium bevorsteht, ist es sehr leicht möglich, daß auch ich im Zuge dieser Bewegung wieder ausgebootet werde. Denn über die notwendige aalglatte Diplomatie, um mich in diesem Amte zu behaupten, verfüge ich - soll ich sagen: leider oder glücklicherweise? - nicht. Welche verheerenden Auswirkungen die Einführung der Bekenntnisschule in Bayern hat, erlebe ich beinah täglich an den vielen protestantischen Flüchtlingslehrern, die infolgedessen kein Unterkommen finden können. Die braune Farbe hat man zwar abgekratzt, dafür aber umso dicker die schwarze aufgetragen. Auf diese Schwierigkeiten stoße ich jetzt beim Aufbau der Regensburger Volkshochschule, die unter der Leitung des Rektors der hiesigen theologisch-philosophischen Hochschule stehen soll. auf Schritt und Tritt. Äußerlich arbeiten wir, d.h. der Rektor und ich, zwar noch durchaus harmonisch zusammen, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Bereitschaft bei ihm lediglich durch den Zwang der Umstände erzeugt wordn ist, zumal er als Philosoph natürlich einen anderen Standpunkt wie ich vertritt. Ob wir Deutschen wohl jemals die Freiheit erlernen werden, auch andere Überzeugungen neben der eigenen zu dulden? Ich selbst werde in der Volkshochschule neben 6 einführenden Vorlesungen in die Philosophie noch eine geschichtsphilosophische Arbeitsgemeinschaft abhalten, der ich die Lektüre von Gerhard Ritters neuerschienener Schrift "Geschichte als Bildungsmacht" zugrundelegen will. Auf diese Weise hoffe ich, meine eigenen geschichtsphilosophischen Gedanken am konkretesten entwickeln zu können. In dem ausgezeichneten Düsseldorfer Volkshochschulprogramm entdeckte ich übrigens zu meiner großen Freude auch die Ankündigung dreier philosophischer Vorträge von Ihnen in der Zeit vom 21.-27.März. Ich wünsche Ihnen von Herzen Glück zu diesem kühnen Unternehmen! Noch mehr aber beglückt mich Ihre Nachricht von dem bevorstehenden Abschluß Ihrer Hamburger Pläne! Ich bin überzeugt, daß Sie z.Zt. nirgendwo in Deutschland eine für Sie günstigere Atmosphäre finden werden, als dort! Hoffentlich gelingt Ihnen die Überwindung aller Hindernisse! Erlauben Sie mir nun abschließend naoch, Ihnen zu dem bevorstehenden Weihnachtsfest, wie vor allem zu Ihrem Geburtstag am 27.12. meine aufrichtigsten und herzlichsten Wünsche auszusprechen! Wann werden wir wohl wieder einmal Ihren Gebrutstag in so schönem und harmonischen Rahmen wie 1940 Ihren sechzigsten feiern können? Die Erinnerung an dieses Fest taucht jedesmal beim Herannahen Ihres Geburtstages wieder in mir auf und gehört zu den glüklichsten Eindrücken meines Lebens. Möge Ihnen, hochverehrter Herr Professor, das neue Lebensjahr vor allem jene Möglichkeit des Wirkens bringen, die Ihnen gebührt und Ihrer würdig ist: das ist mein erster Wunsch für Sie! Ich kann mir wohl denken, daß Sie dem kommenden Jahre mit sehr gedämpften Erwartungen entgegensehen, und tatsächlich bietet ja auch der Ausblick in die Zukunft wenig Erhebendes und Hoffnungsvolles; um so mehr möchte ich Ihnen aber wünschen, daß wenigstens Ihr persönlicher Bereich so wenig wie möglich von der allgemeinen Depression berührt werden möge! Meine Frau vereinigt sich mit mir in diesen Geburtstagswünschen für Sie und fügt wie ich selbst die schönsten Weihnachtsgrüße an Ihre hochverehrte Frau Gemahlin und Ihren Sohn hinzu. Leider wird meine Frau erst zwischen Weihnachten und Neujahr zum Schreiben kommen, da sie augenblicklich noch immer vertraglich an ihren Unterricht an der Dolmetscherschule gebunden ist und erst in diesen Tagen ein wenig zum Ausruhen kommt. Erhalten Sie mir, hochverehrter Herr Professor, auch im neuen Jahre Ihre mir so teure freundschaftliche Gesinnung, wie ich selbst in unveränderter Verehrung und Dankbarkeit bleibe; von: Braunbehrens, Hermann von an: Litt; Ort: Eichhofen