Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0504
TitelBrief von: Litt (Leipzig) an: Braunbehrens, Hermann von
Enthältms; Brief 1 Blatt A4
Zeitvon1946
Zeitbis1946
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens! Das wäre ja famos, wenn wir in Bälde Ihre liebe Frau hier hätten. So Vieles läßt sich ja nur mündlich sagen" Wir hoffendringend, daß es zu der geplanten Reise kommt. Sie würden dann auch Näheres über meine neueste Erfahrung zu hören bekommen, die ich brieflich lieber nicht eingehend besprechen will. Auf höheren Befehl habe ich für dieses Semester meine Vorlesungen einstellen müssen. Die Begründung klang unbedenklich, aber die Umstände ließen die Sache weniger harmlos erscheinen. Erstaunlich, mit welch unbeirrbarer Logik die Dinge ihren Weg gehen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß das Ereignis mich nicht überrascht hat. Leid ist es mir um die Studenten, deren Eifer auf mich einen recht guten Eindruck gemacht hat. Überhaupt ist es meine Überzeugung: wir hätten diese jungen Menschen auch politisch schon in Ordnung gebracht, wenn man uns nur ruhig arbeiten ließe. Aber ..... Der Habilitationseifer, der Ihnen in München begegnet ist, tritt auch anderwärts auf. Vielfach handelt es sich um Leute, die es schon früher versucht haben und jetzt als angebliche Märtyrer der zwölf Jahre eine besonders entgegenkommende Behandlung erwarten. Auch dies eines der vielen unerquicklichen Kapitel, mit denen man sich jetzt herumschlagen muß. An Wenzl werde ich unverzüglich schreiben. Welchen Eindruck hatten Sie denn von seiner Person? Das Thema Ihrer Arbeit ist mir natürlich besonders interessant. Bei mir liegt seit drei Jahren ein Manuskript: Staatsgewalt und Sittlichkeit, von dem ich Ihnen, glaube ich, schon erzählte. Und die eine der jetzt abgebrochenen Vorlesungen hieß gleichfalls: Staat und Sittlichkeit. Es ist eines der ganz großen Themen, die der Philosophie auf die Seele gelegt sind. Kürzlich hielt ich hier im "Kulturbund" einen Vortrag über das Thema: Die Sendunf der Philosophie, der prompt politische Veanstandungen zur Folge hatte. Alles höchst vertraute Dinge. Daß Sie den Posten als "Investigator" angenommen haben, finde ich auch sachlich richtig. Denn die Vereinigung von Entschiedenheit und Mäßigung, auf die es hier ankommt, ist etwas höchst Seltenes. Sie können viel Gutes stiften und viel Törichtes verhüten. Sehr betrübt hat mich auch, was Sie von Carossa berichten. Mir war aufgefallen, daß er in den "Geheimnissen des reifen Lebens" mit merklichen Sympathie eine Schar von Hitlerjungen schildert. Aber das Neue ist natürlich viel schlimmer. Entsetzlich, wie viele von dieser Pest ergriffen worden sind! Übrigens hat er ja auch - auf dringendes Anraten von Kippenberg, wie ich von ihm selbst weiß - den Vorsitz in der europäischen Dichtergemeinschaft in Weimar übernommen, ein mir schon damals unbegreiflicher Fehler. Wenn Glockner jetzt wieder einen "Logos" machte, so würde ich das einfach skandalös finden. Diese Zeitschrift hat ja in jämmerlicher Weise den Mantel nach dem Winde gehängt. Aber in dieser Hinsicht geschieht manches Unverständliche. Die Verlage kommen auch in den nichtrussischen Zonen nur sehr langsam vorwärts, besonders aus Papiermangel. Ich glaube, daß es mit dem Druck größerer wissenschaftlicher Werke noch gute Weile haben wird. Für welche Schriften hierzulande Papier in Masse vorhanden ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Alles andere stockt mehr oder minder. Ich glaube, daß einstweilen nur 4 Verlage, darunter der Inselverlag, Lizensen haben. Neben dem genannten Kolleg lese ich - las ich eine Einleitung in die Philosophie. Der Besuch beider Vorlesungen ist ständig gestiegen, was natürlich an gewissen Stellen sehr ungern gesehen wurd. Habe ich Ihnen eigentlich geschrieben, daß wir eine neue, eine "Pädagogische" Fakultät, bekommen sollen? Auch das eines der erquicklichsten Kapitel der Universitätsentwicklung in dieser Zone. Es kommen immer wieder Zeiten, in denen ich mich innerlich sehr, sehr müde fühle. Aber schließlich kann ich mich dann doch nicht entschließen, die Flinte ins Korn zu werfen. Ich will nicht denen Recht geben, die mich jüngst in einem Vortrage als einen der "überalteten Intellektuellen" bezeichneten, die .... Ok, wie alt, wie uralt sind diejenigen, die nach all diesen Jahren unentwegt ihre alten Doktrinen weiterbeten! Auch wenn sie noch braune Haare haben. Wie es mit Heidegger steht, weiß ich nicht. Er soll eine gewisse Gegnerschaft unter den Kollegen haben. Von seiten der Franzosen ist ihm nichts geschehen. Hier würde es ihm anders gehen. Seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrem gez. Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Leipzig