Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0502
TitelBrief von: Litt (Leipzig) an: Braunbehrens, Hermann von
Enthältms; Brief 1 Blatt A4
Zeitvon1946
Zeitbis1946
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens! Es freut mich ganz außerordentlich, daß Sie mit Ihren beruflichen Zukunftsplänen der konkreten Verwirklichung schon so nahe gekommen sind, wie es dem Anscheine nach der Fall ist. Ich habe so viel mit Menschen zu tun, die sich verzweifelt vergeblich um ein Unterkommen bemühen, daß ich so etwas zu schätzen weiß. Ganz besonders wichtig ist es, daß Sie bereits mit dem Münchener Rektor in Verbindung getreten sind. Wenn es Ihnen der geeignete Zeitpunkt zu sein scheint, werde ich gerne einmal an ihn oder auch an Herrn Wenzl schreiben. Ist eigentlich der katholische Philosoph v. Rintelen nicht nach München zurückgekehrt? Über den gegenwärtigen Zustand der Universität wurden mir sehr traurige Dinge erzählt. Überhaupt erhielt ich jetzt einen mündlichen Bericht über Ihre Zone, der mir zeigte, daß es zwar dort ganz, ganz anders aussieht, als bei uns, aber doch auch in mancherlei Hinsicht sehr unerquicklich. Über Einzelheiten will ich lieber nicht schreiben. Ohne Frage leben sich die Teile Deutschlands mehr und mehr auseinander. Ob ich es noch erleben werde, daß es wieder ein handlungsfähiges Subjekt, genannt "deutsches Volk", überhaupt gibt? Einstweilen sieht es nicht darnach aus. Immer wieder sage ich mir, daß an allen Stürmen, die seit 30 Jahren über dies Volk dahingegangen sind, ein besserer Gesamtzustand nicht erwartet werden kann. Und doch wallt es immer wieder in mir auf, wenn ich Proben von dem unbelehrbaren Starrsinn erhalte, der weiterhin die herrschende Stimmung ist. Über die Aussichten des Inselverlages denke ich wie Sie. Es rückt hier in dieser Hinsicht nichts vorwärts. Immerhin steht es fest, da´der Inselverlag die Lizenz für Leipzig hat! Was er daraus machen kann, bleibt dahingestellt. Einstweilen ist Kippenberg noch nicht hier. Die Universität hat dauernd sehr um ihr Eigenwesen zu kämpfen, Die Annexionsgelüste sind sehr stark, und Lehrkräfte der gewünschten Couleur sollen uns immer wieder aufgedrängt werden. Ich habe Ihnen wohl schon geschrieben, daß der Eindruck der jungen Menschen, die studieren wollen, günstig ist, soweit es sich um guten Willen und Interesse handelt. Man kann aus ihnen sicher etwas machen. Auch politisch würden wir sie in Ordnung bekommen, wenn man uns nur ruhig arbeiten ließe und nicht mit ständigen politischen Eingriffen Unruhe stiftete. Es kommt einfach darauf an, den Willen und die Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit der politischen Wirklichkeit zu wecken und zu entwickeln. Sie haben übrigens nicht auf meine Frage geantwortet, ob Ihre liebe Frau gerne das Langenscheidtsche englische Lexikon zugesandt haben möchte. Wie steht es damit? Von hier ist sonst nichts Neues und erst recht nichts Erfreuliches zu melden. Von Alfred nach wie vor kein Wort. Es grüßen Sie beide herzlichst Ihre gez. A. und Th. Litt Meine Frau wird noch schreiben!; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Leipzig