Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Liebe Frau v. Braunbehrens!
Vermutlich werden Sie von Ihrem lieben Mann bereits gehört haben, daß und weshalb auch dieses Mal aus dem geplanten Besuch bei ihm nichtsgeworden ist. Ich muß auch Ihnen sagen, wie sehr leid mir das tut. Ihr Mann ist mir so ans Herz gewachsen, daß es mir eine Freude gewesen wäre, wieder einmal mit ihm zusammen zu sein und durch eine gründliche Aussprache etwas zu seiner inneren Entlastung beizutragen. (Äußerlich ihm zu helfen ist ja leider uns armen Schächern nicht möglich) Aber da ich nicht mit ihm verwandt bin, werde ich unter keinen Umständen die Reiseerlaubnis bekommen, und eine Reise in Abschnitten ist unter den heutigen Verhältnissen nicht nur ein Martyrium, sondern wird unter Umständen überhaupt nicht glücken. Es sind eben in dem Lebenszustande, den wir schaudernd durchmachen müssen, alle Wege irgendwie verbaut. Wir haben von den Schwierigkeiten bei unserer Reise nach Stendal auch hinlänglich Proben bekommen.
Unter diesen Umständen habe ich mich nun auch nicht persönlich von dem Zustande des armen Dulders überzeugen können. Wenn Sie Zeit fänden, uns wieder einmal ein Wort über sein gegenwärtiges Befinden zu schreiben, so wären wir dafür sehr dankbar. Denn unsere Gedanken gehen immer wieder zu seinem Schmerzenslager.
Unseren Rudolf fanden wir im Lazarett von Stendal in seinem Allgemeinbefinden gebessert. Die Eiterung hat nachgelassen und die Temperatur ist meist normal. Aber das ist auch alles. Der Unterarm ist nach wie vor wie tot, und auch die Nervenschmerzen haben nicht im mindesten nachgelassen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie dies auf die Stimmung drückt. Er liegt zusammen mit 10 jungen Offizieren, die ihn zwar durch allerlei Spässe hin und wieder erheitern, aber ihm doch menschlich nicht das Geringste zu bieten haben. Einzelne wirken durch ihre gedankenlose Flapsigkeit wenig erfreulich. Man fragt sich, wie dieser Typus Mensch einmal mit den Aufgaben, die die deutsche Zukunft stellen wirdm fertig werden soll.
An das nahende Fest wagt man garnicht zu denken. Was soll die botschaft der Liebe in dieser von Haß bis ins innerste Mark zerfressenen Welt?! Bei Ihnen wird Beatchen für ein wenig Heiterkeit sorgen.
Es grüßen Sie aufs herzlichste
Ihre
gez. A. und Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Frau von; Ort: Leipzig |