Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0488
TitelBrief von: Litt (Leipzig) an: Braunbehrens, Hermann von
Enthälths; Brief 1 Blatt A5
Zeitvon1944
Zeitbis1944
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens! Es war uns sehr wohltuend, daß der Besuch Ihrer lieben Frau Sie nicht nur erfreut, sondern auch auf Ihren Lebens willen so anstachelnd gewirkt hat. Für Menschen unserer Art gibt es ja nur eins, was dem schwer zu unterdrückenden Lebensüberdruß die Wage hält: das ist die Gewißheit, daß es unter den uns naheststehenden Menschen solche gibt, die uns im tiefsten Sinne des Worts nötig haben. An dieser Gewißheit nährt sich die Entschlossenheit, sich durch die kommende Zeit durchzuschlagen, so weit es eben möglich ist. Ohne sie würde die brennende Frage "Wozu?" ohne Antwort bleiben. Auch so ist es ja wahrlich schon schwer genug, bei der Stange zu bleiben, zumal wenn man sich immer wieder überezugen muß, wie viele noch heute ferne davon sind, sich die wirkliche Lage einzugestehen und daraus die gebotenen Folgerungen zu ziehen. Es fällt mir immer schwerer, die Seelenverfassung gewisser zweibeiniger Mitgeschöpfe zu verstehen. Wie gut, daß nun auch die Schmerzen etwas nachgelassen haben! Bei unserem Rudolf war es einige Tage auch so, aber dann haben sie mit erneuter Wucht wieder eingesetzt. Der arme Kerl hat viel auszustehen. Das Herauseitern der Knochensplitter hat jetzt mit Macht eingesetzt. Als Kuriosum sei erwähnt, daß man eines Tages in seinem Verband ein Wanzennest entdeckte. Wir werden ihn nun Anfang November besuchen, und bei dieser Gelegenheit hoffen wir nun auch bei Ihnen vorsprechen zu können. Ich muß erst einmal den Fahrplan studieren, wie es sich machen läßt. Vermutlich würden wir am Dienstag den 7. November bei Ihnen sein. Vielleicht haben Sie von Steger selbst gehört, daß er nach 3 wöchigem Gastspiel beim Komiß wegen seines Herzens wieder entlassen worden ist. Wie ihm und seiner Frau zu Mute war, brauche ich nicht zu schildern. Reble istmit seiner Einheit rechtzeitig von Paris abegrückt und weilt jetzt in Limburg an der Lahn, seiner Versetzung gewärtig. Jónasson war kurze Zeit zur Kur im Schwarzwald, ist aber dann wieder nach Leipzig zurückgekehrt, weil er Hunger litt und außerdem von der Möglichkeit der Rückkehr abgeschnitten zu werden fürchtete. Was wir aus dem fürchterlich heimgesuchten Westen hören, läßt diese Befürchtung nur zu begründet erscheinen. Unsere dortigen Verwandten erleben schaurige Tage. Man fragt sich, ob sie sich überhaupt noch aus der Kampfzone zurückziehen können. Nun, über alles dies können wir uns hoffentlich in Bälde mündlich unterhalten. Hoffentlich ist Ihr Lazarett nicht in dem Maße mit Rundfunkgetön erfüllt, wie das in Schweidnitz zu meiner unsäglichen Pein der Fall ist. Dort besteht überhaupt keine Möglichkeit, im einzelnen Zimmer den Lautsprecher abzustellen. Alles wird von der Zentrale aus geregelt. Ergebnis ist, daß man fast den ganzen Tag dies unerträgliche Gedudele in den Ohren hat. Funkstille ist unfehlbar nur dann, wenn einmal ernste Musik aufgeführt wird, z.B. Sonntags 18 Uhr. In Erwartung baldigen Widersehens grüßen Wir Sie herzlichst. Ihr gez. Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Leipzig