Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens!
Gestern hatten wir die Freude Ihre liebe Frau bei uns zu sehen. Und bei der Gelegenheit habe ich gehört, daß Sie über die Feier von Kippenbergs Geburtstag nur aus der Zeitung gehört haben. Ich finde, der Verlag hätte den Mitarbeitern einen Bericht zusenden sollen. Da das nicht geschehen ist, will ich Ihnen wenigstens Einiges über die Veranstaltung erzählen. Ich tue es um so lieber, als das Fest sich wirklich erheblich über das Niveau dessen erhob, was man sonst in dieser Art erleben kann. Nicht nur, daß die amtlichen Instanzen in bemerkenswerter Vollständigkeit und mit höchst ehrenvollen Ansprachen vertreten waren. Was vor allem in die Augen fiel, das war die tatsache, daß man wirklich nur durch das Vorhandensein einiger brauner Uniformen an die Zeitumstände erinnert wurde, während in den Anreden nicht mit einem einzigen Wort von dieser Seite des Zeitgeschehens Notiz genommen wurde. Besonders erstaunt und angenehm überrascht war die Versammlung, als aus dem Munde der gleichfalls zur Huldigung erschienenen Thomaner Goethes "Nachtigall" in der Komposition von Mendelsohn (es ist ein im Hause Kippenberg seit je besonders geschätztes Lied) erscholl. Im Namen der Autoren des Verlages sprach besonders warmherzig und sympathisch Carossa. Sehr ansprechend war auch die abschließende Ansprache, in der der älteste Bruder aus Bremen die Glückwünsche der Familie dabrachte. Das Ganze ergab zusammen mit der Erwiderung des Jubilars einen sehr schönen Zusammenklang. Es war wirklich dajenige Deutschland, das wir meinen, das sich zu dieser Huldigung vereinigte. Der "Erbprinz" in Weimar, der ganz für dieses Fest beschlagnahmt war, gab einen sehr würdigen Rahmen ab. Am Nachmittag war noch einmal die Corona zu einem Thee vereinigt, bei dem u.a. Ricarda Huch erschien.
Sie kennen K. genug, um sich sagen zu können, daß diese Ehrungen ihm einen gewaltigen Auftrieb gegeben haben. Während er früher zeitweilig seinen Verlag als ruiniert anzusehen geneigt war, ist er jetzt, was seine Zukunft wie überhaupt die Zukunft des deutschen Geistes angeht, voll frohester Zuversicht. Es sind ihm auch in jüngster Zeit große Quanten holzfreies Papier bewilligt worden. Er hat sich auch Mühe gegeben, mich zu einer hoffnungsvolleren Beurteilung des Kommenden - in dieser Hinsicht natürlich - zu bewegen. Von dem Erfolg lassen Sie mich schweigen. Wenn ich höre, was angesichts der neuen Lage von braven Mitmenschen zusammenphantasiert und - fabuliert wird, dann ......
Hoffentlich bleiben Sie als wertvolle Ausbildungskraft weiterhin an der gleichen Stelle tätig! Unser Jüngster ist gerade im rechten Augenblick vom Urlaub an dei finnische Front zurückgekehrt. Der Älteste, nur bedingt k.v., steht noch bei seinem Ersatztruppenteil in München.
Mit herzlichen Grüßen, auch von meiner Frau
Ihr
gez. Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Leipzig |