Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Lieber Herr v. Braunbehrens!
Ich danke Ihnen schön für Ihren Brief vom 7.4. Eigentlich hatte ich angenommen, daß Ihre nächste Antwort aus Ungarn kommen würde. Denn ich vermutete, daß Sie zu den freudig begrüßten Befreiern gehören würde, die dieses Land besetzt haben. Um so angenehmer, Sie jetzt in Brünn zu wissen - womit ich nicht sagen will, daß Sie sich dort gerade in einem irdischen Paradies befinden. Aber wer erwartet und verlangt jetzt mehr vom Leben! Sehr erfreut hat uns die Nachricht von dem geplanten Ortswechsel Ihrer beiden Lieben. Besser hätte es ja nicht kommen können. Dort im Osten wird es, wie ich überzeugt bin, immer unbehaglicher werden. Schlimm, daß Ihr Schwiegervater dort ausharren muß!
Ja, um die armen Stegers machen wir uns rechte Sorgen, zumal da Frau Steger schon vor der Erkrankung ein schwaches Herz hatte. In dieser Zeit ernstlich krank zu werden - das bedeutet eine kaum zu ertragende Belastung. Immer wieder erhält man Beweise von der Unzulänglichkeit der ärztlichen Versorgung. Es sind unzählige Opfer, die so in aller Stille, abseits von den großen Ereignissen, dahingerafft werden.
Wie die Angelegenheit mit dem entliehenen Tillich sich aufklären wird, darauf kann man gespannt sein. Es tröstet mich immer, wenn ich feststellen kann, daß auch jüngere Menschen sich nicht mehr recht auf ihr Gedächtnis verlassen können. Denn bei mir und meiner Frau nimmt diese Schwäche schon recht bedenkliche Formen an. Ich wehre micht immer dagegen, daß man dies auf physiologische Gründe zurückführt. Das Gemüt ist einfach durch zentnerschwere Sorgen so überlastet, daß es vieles Kleinere nicht mehr festhalten kann. Im übrigen harren wir immer noch auf den Urlaub unseres Jüngsten, der längst fällig wäre. Wäre er nicht Offizier, so würde er vermutlich längst hier sein. So kann er einfach nicht fortkommen. Der Älteste war Ostern auf Urlaub daheim. Es scheint, daß jetzt auch er noch auf seine Eignung zum Offizier hin erforscht werden soll. Seinen Wünschen entspricht das keineswegs. Noch eine Kuriosität von hier: Frings 57 Jahre alt, ist jüngst untersucht und k.v. geschrieben worden. Lauter Symptome, die in eine bestimmte Richtung weisen.
Mit lebhafter Zustimmung lasen wir Ihren Hinweis auf die "leiblichen Genüsse, die uns heute so wohltun". Ja, so ist es wahrhaftig. Beim Ausfall aller sonstigen Anreize hängt man erst recht an diesen Dingen. Zumal eine gute Flasche Wein ist heute ein wahres Lebenselixier. Schade, daß sich das Angebot dieser Dinge umgekehrt proportional zu dem Verlangen verhält.
Wir grüßen Sie herzlich mit verändert guten Wünschen für Ihre weiteren Schicksale.
Ihr
gez. Th. Litt; von: Litt an: Braunbehrens, Hermann von; Ort: Leipzig |