Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0438
TitelBrief von: Linder (Wurzen ?) an: Litt
Enthälths; 1 Doppelblatt 16,4 x 19,1 cm - Gedicht
Zeitvon1926
Zeitbis1926
BemerkungenDokumentenabschrift: Vision im Wurzener Stadtpark (Abiturus-Ballade) "Zart Gedicht, wie Regenbogen; Wird gern auf dunklem Grund gezogen. Darum behagt dem Dichtergenie das Element der Melancholie" (Goethe) 1. Wer schreitet so spät durch Nacht und Wind? - Es ist ein Vater mit seinem Kind. Längst wich aus ihren Wangen das Rot, Aus ihrem Anlitz spricht bittere Not. Sie schleichen dahin mit schleppendem Tritt: Es schreckt ein Gespenst sie: das ist der Litt! 2. Siehst, Vater, Du dort die Nebelstreifen, die mit mächtigen Armen um sich greifen? Das sind seine Hände, das ist er fürwahr, der schicksalsbestimmte Kommissar! Mich schaudert! Er bringt kein Erbarmen mit, Er mordet uns alle, der finstere Litt!" 3. "Mein Sohn, deine Nerven sind abgespannt, das ist Bedas Fabrik, die abgebrannt. Es weben um die geschwärzte Mauer des trüben Winterabends Schauer. Dein Auge vom nächtlichen Studium litt, sonst sähst du, sonst wüßtest du: 'S ist nicht der Litt." 4. "O Vater, siehst du's da oben nicht glüh'n, wie kritische Blicke durchs Brillenglas sprüh'n? Sie forschen in meines Gehirnes Windung, vermissen im Aufsatz Ideenverbindung, und in der Geschichte, da fehlt mir der Kitt Organ'scher Entwicklung, - das merkt er, der Litt." 5. "Mein Sohn, o laß dein vergebliches Bangen, warum denn nach dir grad trüg' er Verlangen? Und was du dort siehst durch den Nebel, den feuchten, sind Wurzens elektrische, ragende Leuchten. Da stampft die Maschine, da bäckt man Biskuit. Entwölk' deinen Blick, denk' nicht mehr an Litt." 6. "Mein Vater, o Vater, so hörst du es nicht, wie unheilverkündend er zu mir spricht? Nach Schriften fragt er, die längst verschollen, nach Posidonius Wesen und Wollen, und ob auch die Republik beschritt' den Pfad Macchiawells, will er wissen, der Litt!" 7. "Mein Sohn, deine Stirne von Fieber glüht. Laß Mäßigung tropfen dem heißen Geblüt! Hast du's im Faust nicht jüngst gelesen: du hast "gestrebt" - mit Fassung tritt deinem Schicksal entgegen in Form von Litt." 8. Mit Mühe brachte der Vater, der bleiche, nach Hause den Sohn, fast schon eine Leiche. In Hangen und Bangen die Tage verstrichen, doch heute ist jeder Bann gewichen. Der quälenden Sorgen sind alle nun quitt, denn keiner hat Unbill erlitten durch Litt. 9. Doch fühlten sich alle wie neugeboren, als endlich von Wechselstrom-Motoren die Rede schwieg und sie durchdrungen von Ahnung waren: "'S ist gelungen!" Wer fühlte nicht ihre Freude mit? Ein Hoch! den mulis, geprüft von Litt Linder 18.III.26; von: Linder an: Litt; Ort: Wurzen ?