Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Sehr verehrter Herr Kollege!
Tausendfach durch alle möglichen Obligenheiten abgelenkt (ich habe momentan die Lasten des Dekanats zu tragen) habe ich doch immer wieder über Ihre gewichtigen Einwände nachgedacht, in denen sich in der Tat das Wesentlichste konzentriert, was gegen meine Auffassung von "Wirklichkeit" gesagt werden kann. Auch jetzt muss ich bitten, meine Verteidigung in wenigen Sätzen konzentrieren zu dürfen. Wie viel angenehmer und förderlicher würde doch das Hin und Her einer mündlichen Aussprache sein! Vor allem: der als "wirklich" "erlebte" Raum mit seiner "perspektivischen" Ordnung ist doch nicht der "Raum" des objektiviernden Denkens. Dieser letztere hin wiederum ist weder "wirklich" im Sinne der Solidarität mit dem sich selbst im Sinne des "Ansich", denn er gilt nur in Korrelation mit dem ihn konstruierenden Subjekt des reinen Denkens. Und dass diese Konstruktion wenigstens in einer Beziehung zum "Wirklichen" steht, das wird uns nur verbürgt durch die "erlebbaren" Befunde, von denen die Konstruktion ihren Ausgangspunkt nimmt. Wenn wir das durch diese Konstruktion Ermittelte nicht bloss als Moment innerhalb dieses konstruktiven Gefüges sondern als "wirklich" denken, so können wir nicht umhin, es mit den Bestimmungen auszustatten, die ihm nicht als Glied dieses Gefüges, sondern als Glied einer erlebbaren Wirklichkeit zukommen; d.h. wir denken es so. "als ob" es in dialektischer Einheit mit einem erlebenden Ich seinen Bestand hätte. Z.B. die Erde vor Auftreten des Lebens und des Menschen können wir nicht als "wirklich dnken", ohne sie gleichsam "perspektivisch" zu erleben, wobei dann der Raum zum "Moment" eines in seiner Totalität über-"räumlichen" Erlebnisganzes wird. +) Die Räumlichkeit, an der das objektivierende Denken als einem <.etzler> haften bleibt, wird in diesem Falle in einem Höheren "aufgehoben". Wir täuschen uns darüber hinweg mit der eines rein räumlichen und dabei doch auch "erlebbaren" Ganzen.
Ich hoffe, es mir gelungen, das Entscheidende zu konzentrieren. - Mit Weimar haben Sie nicht viel versäumt. Diese Menschenschlachtfeste bringen uns, wie ich jetzt wiedr gefunden habe, nicht wesentlich vorwärts; die Diskussion ist eine Pein.
Mit den besten Grüssen und herzl. Dank für Ihre wertvolle Äusserung
Ihr Th. Litt
+) zu vergleichen wären die auf den Raum bezüglichen Teile von Indiv. und Gemeinschaft"; von: Litt an: Cohn, Jonas; Ort: Leipzig |