| Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Sehr geehrter Herr Kollege!
Erst nach dem Abschluss eines eingehenden kritischen Berichts über die Grundfragen der modernen Erkenntnistheorie, den ich für die "Jahrbücher für Philosophie" übernommen hatte und der seit langem "fällig" war, habe ich die Zeit gefunden, mich wieder mit Ihrer Schrift "Individuum u. Gemeinschaft" zu beschaäftigen. Und ich möchte nun nicht versäumen, meinen persönlichen Dank für die Zusendung Ihres Buches, den ich Ihnen vor kurzen in Hamburg abstatten konnte, nun auch den sachlichen hinzuzufügen. Von neuem bich ich dadurch überrascht worden, wie nahe Ihre und meine Bestrebungen sich stehen - und wie sehr zwischen uns bei aller "perspektivischen Verschiedenheit" auch eine "perspektivische Reziprocität" waltet. Das wird Ihnen, wie ich glaube und hoffe, nicht nur in dem eben erwähnten kritischen Bericht, sondern noch weit stärker im dritten Band der "Philos. d. symbol. Formen" entgegentreten, an dem ich jetzt eifrig arbeite, dessen Abschluss ich aber freilich einstweilen noch nicht bestimmen kann. Irre ich nicht, so bedeutet Ihre dritte Auflage gegenüber der zweiten einen weiteren entschiedenen Schritt nach vorwärts und zwar auf einem Wege, der zwar dem meinen nicht gleicht, mit ihm aber auf das gleiche prinzipielle Ziel gerichtet ist. Ich habe sehr bedauert, daß Ihr Besuch in Hamburg diesmal so kurz bemessen war und würde mich aufrichtig freuen, wenn sich bei Ihrem Vortrag in der hiesigen Philosoph. Gesellschaft, den Sie uns für den Herbst freundlich zugesagt haben, einmal die Gelegenheit zu einer eingehenderen Aussprache böte.
Für heut bin ich mit den besten Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
Ernst Cassirer; von: Cassirer, Ernst an: Litt; Ort: Hamburg |
