Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Hochverehrter Herr Bundespräsident!
Seien Sie herzlich bedankt für den freundlichen Ausdruck des Zutrauens, das aus Ihrem Schreiben vom 13. juni spricht. Um Sie über die für mich maßgebenden Überlegungen voll zu unterrichten, erlaube ich mir, einen Durchschlag des Schreibens beizulegen, das ich an Herrn Bundesminister Dr. Lehr richtete. Zur Erläuterung füge ich noch Folgendes hinzu.
Bis in die jüngste Zeit hinein habe ich Proben von der Verbissenheit erhalten, mit der bei uns alle Auseinandersetzungen über pädagogische Grundfragen durchgeführt werden. Nicht nur die Vertreter der Parteien und Konfessionen, auch die Verfechter eines neuhumboldtischen oder "christlichen" Humanismus, eines positivistisch-"fortschrittlichen" oder evolutionistischen Naturalismus: alle kämpfen sie mit der Besessenheit religiöser Fanatiker für ihre Sache und lassen an dem, der anders denkt, kein gutes Haar. und die Kampfesmethode ist immer die gleiche: man verdreht zunächst, was der andere gesagt hat, bis zur Unkenntlichkeit und hält dann auf Grund davon ein moralisches Autodafè ab. Also üblich bis in die Kreise der Herrn Professoren hinein! Wenn ich über die märchenhafte Widerstandskraft unseres Herrn Bundeskanzlers verfügte, würde ich mich vielleicht auch noch in meinem Alter solchen Kanonaden aussetzen. So aber ist es einfach ein Akt der Notwehr, wenn ich mich endlich aus der Kampfzone zurückziehe.
Ich bitte um Ihr freundliches Verständnis!
Mit den besten Grüßen
Ihr aufrichtig ergebener; von: Litt an: Bundespräsident Prof.Dr. Theodor Heuß |