Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Hochverehrter Herr Professor!
Ich habe Ihren Brief vom 5.ds.Ms. mit größtem Bedauern empfangen. Er hat mich und meine Mitarebiter in eine sehr ernster Sorge versetzt. Verstehen Sie deshalb bitte, daß ich bei allem Respekt vor den von Ihnen geltend gemachten Gründen mich mit der dringenden Bitte an Sie wende, Ihre Haltung noch einmal zu prüfen.
Ich stehe mit 70 Jahren Ihrem Alter nahe genug, um volles menschliches Verständnis für Ihre aus ihm hergeleiteten Bedenken zu besitzen. Aber Sie wissen weit besser als ich, daß trotz dieses Alters Ihre Stellung in der wissenschaftlichen, insbesondere der pädagogischen Welt unerschüttert ist, und ich habe immer wieder gehört, wie sehr die Originalität Ihres Denkens und die Frische Ihres persönlichen Einsatzes bewundert werden. Die Probleme, die dem neuen Ausschuß gestellt werden, sind nur lösbar, wenn die Besten sich der damit sicher verbundenen großen Arbeit zur Verfügung stellen. Wie viele persönliche Opfer ein solcher Einsatz erfordert, weiß ich aus eigener Erfahrung nur zu gut. Aber der Weg in eine bessere Zukunft öffnet sich auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens gewiß nur, wenn gerade auch die erfahrensten Köpfe ein Opfer bringen. Ich habe dieses Opfer den Herren Spranger und Nohl nicht mehr ansinnen können, nachdem beide schon in einem frühen Stadium der Verhandlungen ihren Entschluß, sich nicht zu beteiligen, mit aller Bestimmtheit mitgeteilt hatten; hierbei haben beide Herren auch auf die besonderen Schwierigkeiten hingewiesen, die für sie die Entfernung von Bonn mit sich bringen würde. Bei Ihnen, sehr verehrter Herr Professor, glaubte ich, Ihre Mitwirkung auch deshalb erhoffen zu können, weil Sie in Bonn wohnen und weil durch die Bestellung eines dem Vorsitzenden ganz zur Verfügung stehenden Sekretärs eine starke Entlastung für alle Mitglieder des Ausschusses erwartet werden kann. Da auch die nächstbeteiligten beiden amtlichen Stellen, das Bundesinnenministerium und das Generalsekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister am Ort sind, würden sich gerade für Sie relativ leicht Arbeitsmöglichkeiten im Ausschuß eröffnen.
Darüber hinaus habe ich meine Vorschläge für die Zusammensetzung des Ausschusses gerade auch unter dem Gesichtspunkt gemacht, daß von Ihnen für die Haltung des Ausschusses ein entscheidender Beitrag an geistig führender Stelle zu erwarten sein würde. Über die Bedeutung dieser Arbeit für das Gemeinwohl brauche ich Ihnen nichts zu sagen. Die von Ihnen vielleicht mit Recht erwarteten Kämpfe werden durchgestanden werden müssen, wenn das Ziel erreicht werden soll. Aber Sie werden in diesem Kampf in den anderen Mitgliedern des Ausschusses sicher die besten Helfer haben und dürfen dabei auch jedes Verständnisses und jeder meinem Ministerium möglichen Dienste gewiss sein.
Ich bitte Sie daher noch einmal herzlich darum, daß Sie sich der Ihnen angetragenen Aufgabe nicht entziehen.
In besonderer Verehrung
Ihr sehr ergebener
gez. Dr. Lehr; von: Bundesminister des Innern, Herr Dr. Lehr an: Litt; Ort: Bonn |