Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0396
TitelBrief von: Fischer, Aloys (München) an: Litt
Enthälths; Brief Doppelblatt 14 x 21,7 cm
Zeitvon1937
Zeitbis1937
BemerkungenDokumentenabschrift: Sehr verehrter und lieber Herr Kollege! Wir waren - tutti i tre - den Monat August zur Ablenkung, Auffrischung u. Sammlung von Kräften für die <...> unserer Existenz nicht in der gewohnten Umgebung, auch nicht in Bremen - Burg, sondern u. Wanderung durch Württemberg u. Baden, besonders durch den Schwarzwald, ohne Zeitungen, aber auch ohne Post. So komme ich erst heute dazu, für den Kartengruß aus Ihrer Sommerfrische und den Brief zu danken, in dem Sie uns die Tatsache Ihrer Emeritierung zum 1. Okt. d.J. mitteilen. Ich kann sie noch immer nicht glauben; der Vorgang ist - anders wie bei oder mir, bei denen sicherlich ein Grundsatz der neuen Rassengesetzgebung den Schein der Rechtmäßigkeit bieten konnte - eine unzweideutige Absage an die wissenschaftliche Haltung als solche zu gunsten neuer politischen Zweckwissenschaft. So sehr wir alle das Wachsen dieses Geistes und seine Zunahme haben verfolgen können u. erleiden müssen, ist doch jede persönliche Dokumentation neu erschreckend. Darf ich Ihnen u. Ihren verehrten Angehöreigen unser aller tiefste Teilnahme aussprechen? Es ist nicht leicht sich sozusagen die Lebensarbeit vor die Füße geworfen zu sehen, aber die diro neunitas ist auch auf der anderen Seite eine Erleichterung: "Wo man nicht mehr wirken kann, braucht man auch nicht mehr zu sorgen" meint Goethes Egmont. Gewiß, es ist im ersten Augenblick nicht leicht sich an die selltsame Unverbundenheit zu gewöhnen, die entsteht wenn auch die Beziehung des Kampfs u. Widerstands aufhört; aber letzten Endes steht das wissenschaftliche Leben neuer unmittelbarer zur Wahrheit u. bleibt in diesem Bezug, auch wenn der mittelbare Dienst an Menschen endet oder abgeschnitten wird. Ihnen ist wenigstens die <...> Zugehörigkeit zu Ihrer Universität erhalten geblieben, so gering ihr <..tischer ...> auch ist oder noch wird. Wahrscheinlich werden Sie jetzt auch die Beziehung zur "Erziehung" (Zeitschrift) lösen oder löst sie sich von selbst, so daß der für den Verlag <...> Zustand einer neuen Gesamtdisposition zum 1. Oktober eintritt. Nicht mehr eine stillschweigende Verwantwortung zu tragen für neue pädagogische Produktion, deren Tendenz u. Richtung man nicht zu vertreten vermag, ist auch hier eine Entlastung. Im übrigen bin ich gewiß, daß nicht nur Ihre literarische Arbeit mit ausgreifender Wirkung sich fortsetzt, sondern daß bald eine Andere Wissenschaftsgemeinde sich Ihrer Kraft bemächtigt u. Ihren mit den Bedingungen der materiellen Existenz auch die einer unbefangenen Freiheit der Äußerung sichert, als sie - wenigstens in absehbarer Zeit - in den bisherigen Verhältnissen möglich gewesen oder geworden wäre. Wir sind eben in Begriff, unsere Münchener Zelte abzubrechen; ab 1. Oktober ist unsere (vorläufige) Anschrift (Oberbayern), Gmani 24. ich freue mich auf die stille Sammlung, die ich auch für die Reorganisation meiner Denkwelt sehr nötig habe u. begrüße; die weitere Zukunft beschäftigt mich mehr, soweit sie meinen Sohn betrifft, als soweit sie mich u. meine Frau angeht. Seien Sie nochmals unserer tiefen und aufrichtigen Teilnahme versichert u. aller Hilfe, die mir etwa möglich sein sollte, gewiß! In herzlicher Verehrung Ihr sehr ergebener A. Fischer; von: Fischer, Aloys an: Litt; Ort: München