Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Sehr verehrter Kollege!
Auf Ihre Anfrage vom 19 d. M., die auf eine noch nicht ganz geklärte Weise erst gestern in meine Hände gelangt ist, teile ich Ihnen so rasch, als ich es im Augenblick kann, folgendes mit
1. Der deutsche Aufsatz ("Bildungsaufsatz") ist in jeden der 6 oder 7 Tage von Lehramtsprüfungen - außer beim Turnlehramt - vorgesehen. Wir haben in Bayern bekanntlich oblegatorische Fächerkombinationen in
Altphilologen: Lat. Griech. Deutsche Geschichte
Neuphilologen: Englich - Französisch
+ Deutschphilologen: Deutsche Geschichte, eine moderne Fremdsprache (entweder Englisch oder Französisch) Diese kommt in den nächsten Jahren in Wegfall.
: Deutsch, Geographie Geschichte
+ Biologen: beschreibende Naturwissenschaften, Geographie, Chemie (soll auch wieder "abgebaut" werden
Handelrenlesten: Handelskunde, Volkswirtschaftslehre, Geographie
Zeichenlehrer
Turnlehrer
2. In jeder Gruppe werden (nach vorheriger Auswahl durch die Prüfungskommissionen) 3 Themen zur Auswahl gestellt
die neueste Verordnung vom 17. Nov. liegt bei
Allgemeine Themen aus dem Studiengebiet ist meistens die obligatorische Regel ( aus dem Gruppenegbiet
3. die erste zensur der Aufsätze liegt traditionell in den Händen der Oberstudiendirektoren; die zur Prüfungskommission gehören, also je nach der Gruppe Gymnasial - Realgymnasial u. Oberrealschuldirektoren. Sie haben an Ihren Primaner-Aufsätzen sozusagen einen untersten Maßstab; die zweite Zensur in der Hand des nach dem Thema zuständigsten Fachvertreters aus dem Hochschulkollegium
4. Der Aufsatz wird benotet, zählt in den einzelnen Gruppen 1-3fach, besonders schlechte u. bes. gute Leistungen werden in die, bei uns oft recht ausführliche Würdigung bzw. Begutachtung aufgenommen
5. Ich glaube, daß in Bayern keine besteht auf den Aufsatz zu verzichten. In der Zeit als überwiegend Kriegsteilnehmer Prüfungskandidaten waren, hat man ihn etwas leichter genommen, wenn die Fachwissenschaftliche Prüfung gut war. etwas stärker betont, wenn diese sei es bes. gut sei es schlecht war. Er bildete in dieser Zeit (für Kriegsteilnehmer) so etwas wie ein Kompensationsfach. Vorher u. wieder jetzt wird er durchaus als Ablehninstrument gehandhabt. persönlichen Eindruck ist 1) der Zwang, sich auf einen Aufsatz einzustellen, sehr heilsam für die Kultur des mündlichen u. schriftlichen Ausdruckes in der Studienzeit 2) werden eben deshalb die stilistischen u. rhetorischen Übungen, die früher von Dozenten freiwillig gehalten wurden (zb von rd. Beyer), jetzt durch einen Lehrauftrag am Seminar für deutsche Philologie u. durch die stilistischen Übungen im Zeitungswissenschaftlichen Seminar stabilisiert sind, recht gut, gern u. mit Erfolg besucht
3,) haben wir bei Zulassungs- u. akad. Prüfungsarbeiten nur ausnahmsweise über grobe sprachliche u. logische Unkultur zu klagen 4) der Prüfungskommission bei der Schlußwürdigung in zweifelhaften Fällen mitunter gerade durch den Ausfall der Aufsätze ein Urteil über die im Unterricht so wichtige "geistige Beweglichkeit u. darstellerische Klarheit", das das zuverlässiger ist als die Beobachtungen allein im Fachwissenexamen.
Eine Reihe von Themen werde ich Ihnen Tage zugehen lassen.
Ich hoffe, damit einigermaßen Ihren Wünschen gedient zu haben. Die beiden Abschriften stammen aus meinem Handapparat, ich erbitte sie gelegentlich zurück.
Aus dem nächsten Brief darf ich vielleicht einiges andere berichten, heute möchte ich nur meiner Freude Ausdruck geben, daß Sie mit an der Zeitschrift tätig sein wollen.
Mit herzlichen Grüßen, auch von meiner Frau, u. Empfehlungen an Ihre verehrte Frau Gemahlin
Ihr sehr ergebener
Aloys Fischer
Bayr. Verordnung vom 17.11.1924. §46 u. § 56 d. Prüfungsordnung: "Einen deutschen Aufsatz über ein allgemeines Thema aus dem Studiengebiet, der das Urteil de Kandidaten in seine Fähigkeit zu wohlgeordneten, <...> u. stilistisch gewandterDarstellung erkennen läßt. 3 themen werden zur Wahl gestellt (Arbeitszeit 4 Stunden). Dieser Aufsatz wird gleich den übrigen schriftlichen Prüfungsarbeiten bewertet und zwar unter <...> Würdigung der stilistischen Form".
<...> auch die Prüfung in den geisteswissensch. Disziplinen.; von: Fischer, Aloys an: Litt; Ort: München |