Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0392
TitelBrief von: Ebbinghaus, Julius (Marburg) an: Litt
Enthälths; Brief 1 Blatt 21,2 x 29 cm; Briefkopf: Professor Dr. Julius Ebbinghaus Rostock
Zeitvon1943
Zeitbis1943
BemerkungenDokumentenabschrift: Sehr veehrter. lieber Herr Kollege. ich möchte die Übersendung der beifolgenden kleinen Drucksachen nicht vorübergehen lassen, ohne einmal bei Ihnen nachzufragen, wie es Ihnen geht und zugleich einen arg verspäteten dank für das "Allgemeine" und die ebenso freundlich übersandte "Sonderstellung" nachzuholen. Was die letztere anlangt, so bin ich mit der Intentio ganz einverstanden. Was die Methode anlangt, so würde ich der philosophischen Bedeutung der den Gegenstand Ihrer Untersuchung bildenden Dinge nicht so große Konzessionen wie Sie machen zu müssen glauben. Wenn der Biologe die Rolle, die die Nase für den Hund hat, damit charakterisiert, daß er sagt, der Hund lebe in einer Geruchswelt, so höre ich dem mit Vergnügen zu, vorausgesetzt, daß wir einig darüber sind, daß es sich hier um einen analogische Redensweise handelt. Wenn aber er selbst oder ein seinwollender Philosoph mir einreden will, er könne mit dieser empirisch feststellbaren Hundenase beweisen, daß die Hunde in einer anderen Welt leben als wir, das heißt nämlich einem anderen Ganzen <...> Dingen angehören, das kein Teil desjenigen Ganzen von Dingen ist, in dem wir Menschen existieren - so gestehe ich gerne, daß ich davon kein Wort verstehe und auch nicht glaube, daß irgend ein Wesen, das denkt, es verstehen kann. Wenn die Tierwelt, wie Sie S. 228 mit Recht bemerken, aus äußeren Daten sypothetisch konstruiert werden muß, so wird man doch fregen müssen obe diese Daten der Tierwelt oder der Menschenwelt angehören. Sagt man das Zweite, so sehe ich nicht, wie man aus ihnen eine Tierwelt in <... struto> zimmern will - gilt das erste, so können sie doch nicht uns gegeben sein. Oder soll man glauben, daß es Daten geben kann, die irgend einem Zusammenhang von Dingen sowohl angehören, wie nicht angehören können? Sagt man mir, das alles dürfe doch nicht so abstrakt und elementar genommen werden, wie ich das hier tue, so bin ich es auch zufrieden; nur möge man mir dann eben ganz genau sagen, in welchem Sinne dann hier der Begriff "Welt" genommen werden soll. Was mich betrifft, so bin ich bis zum Beweise des Gegenteils davon überzeugt, daß - solange man ihm eine Bedeutung giebt, die mit der Behauptung einer Verschiedenheit von Welten, deren Vorhandensein wir aus der Erfahrung kennen lernen können, verträglich ist - daraus nicht das geringste philosophische Problem entspringt. ---- Eben hatten wir Besuch vom Kollegen Gadamer mit Frau, die ihre Ostertage hier verbringen und den Marburger Frühling genießen. "Die Welt wird schöner mit jedem Tag" so wie Uhland es singt. Aber leider gilt auch: man weiß nicht was noch werden mag. Halten wir also fest am Troste des letzten Verses. Mit herzlichen Grüßen Ihr verehrungsvoll ergebener J. Ebbinhaus; von: Ebbinghaus, Julius an: Litt; Ort: Marburg