Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Hochverehrter und lieber Herr Kollege!
Sie haben mir die grosse Freude bereitet, mir Ihr neues Buch "Naturwissenschaft und Menschenbildung" durch den Verlag als Geschenk zugehen zu lassen. Ich danke Ihnen herzlich dafür und für die weittragende Tatsache, dass Sie überhaupt dieses Problem von Ihren weiten und tiefen Gesichtspunkten aus zum gegenstand der Untersuchung gemacht haben. Sie haben herrliche Worte gefunden, welche die geistige und seelische Not dieser Problematik für den heutigen Kulturmenschen kennzeichnen. Es bedeutet m. E. eine wahrhafte Tat, dass endlich einmal von philosophischer Seite in Deutschland diese Fragen angeschnitten werden.
So falsch und unvollkommen die Bemühungen des Neupositivismus auch genannt werden müssen, so hat wie mir scheint diese Richtung doch die grosse geschichtliche Bedeutung wenigstens einmal logische Strengen und Sicherheit der Aussagen bewusst angestrebt zu haben. Sie hat auf einem Gebiet relativ bescheidener Ausdehnung darin auch bedeutende Erfolge erreicht, da sie sich, wenn auch noch tastend ungeschickt auf das Ziel der Sicherheitsgewinnung und der sprachlichen Bewusstheit einstellt.
Ihre ausgezeichnete Kritik setzt da an, wo der Neupositivismus seine Grenze überschreitet.
Es ist schade, dass Sie als Geisteswissenschaftler schwer einen Zugang zu meinen Forschungen haben können, die ich seit 50 Jahren in gerader Linie durchgeführt habe. Vieles von dem, was Sie an der Physik beanstanden, wird durch diese Resultate beseitigt.
Gestatten Sie mir Ihnen als kleine gegengabe meine Schrift über das physikalische Weltbild zugehen zu lassen.
Mit nochmaligem herzlichen Dank für Ihre bedeutungsvolle Gabe und verbindlichen Grüssen
Ihr Ihnen stets aufrichtig und dankbar ergebener
gez. Hugo Dingler; von: Dingler, Hugo an: Litt; Ort: München |