Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0385
TitelBrief von: Dahs, Hans (Beuel a. Rh.) an: Litt
Enthälths; Brief Doppelblatt 14,1 x 17,9 cm
Zeitvon1923
Zeitbis1923
BemerkungenDokumentenabschrift: Sehr verehrter Herr Professor! Abermals ist ein ganzes Jahr fast vergangen, seit zum letztenmale "der Ruf vereinter Kehlen" Ihr Ohr erreicht hat. Und abermals muß ich Ihnen versichern, daß Sie deshalb keineswegs weniger lebhaft in unser Aller Erinnerung stehn, dies umso weniger, als Ihr herzerquickender Brief uns allen eine aufrichtige Freude bereitet hat. In diesem Augenblick liegt er vor mir, und ich stehe vor der Herkulesaufgabe, diesem stilistischen Wunderwerke ein auch nur einigermaßen konkurrenzfähiges Elaborat zur Seite zu stellen! Durchdrungen von der Aussichtslosigkeit dieses Kampfes bitte ich um Nachsicht. - In alle Winde fast verstreut fanden sich die Mitglieder jener glorreichen Klasse nicht wieder zusammen, - auch nicht, um Ihnen den gesammelten Ausdruck unserer dankbaren Gesinnung zu übermitteln - - und so tue ich es jetzt alleine, aber ich weiß, verehrter Herr Professor, es ist ganz im Sinne von uns allen! Jetzt gegen Semesterschluß fühle ich mich doppelt gedrängt, Ihnen aus der deutschen Musenstadt am deutschen Rheine einen Gruß zu entbieten! - Wie Kerkerluft umweht uns hier, im Mittelpunkt gewaltiger Erobererwillkür! Gestern früh verurteilte das französische Militärgericht den fünfzigsten Studenten unserer Hochschule (zu Geld- und Gefängnisstrafen), und wie ein Damoklesschwert schwebt über uns das Gespenst der Schließung der "Hochburg des Revanchegedankens"! Und es ist doch so schwer, Besonneheit zu wahren beim Anblick dieser schwarzen und weißen Teufel, wenn das bLut in Wallung ist in der Entrüstung über diesen fleischgewordenen Erobererfanatismus rechtloser Friedensbrecher, wie ihn in seiner üblen Auswirkung wiederum die jüngsten Ereignisse auf dem Bahnhof Wanne so grausam deutlich offenbart haben. Es kostet manchmal unendlichen Kampf, den Schmerz in sich hinein zufressen über den Heldentod opfermutiger, treuer deutscher Männer, die ihre heldenmütige Pflichterfüllung bezahlen müssen mit Außerlandesgehen, schmachvoller Haft und ... dem Tode, von der Hand eines Henkervolkes ... Man könnte verzweifeln hier, wo Mund und Hand geknebelt ist, wenn es nicht auch Augenblicke gäbe, die jedes deutsche Herz höher schlagen lassen und mitreißen zu einer stürmischen nationalen Begeisterung, wie sie seit den Julitagen 1914 kein Bonner erlebt hat. Sie können nicht ahnen, was jener Freudentag der Rückkehr der "deutschen Männer von Mainz" uns wiedergegeben hat, jenen spontan zurückkehrenden sieghaften Glauben an Deutschland, an deutsche Einigkeit und nationale Wiedererstarkung: Im D-Zugwagen die Helden der Nation und davor eine unabsehbare brandende Menschenmenge aller Klassen und Stände, Jubeln und Hochrufen ohne Ende, Männer weinten ... schüttelten sich die Hände -- bis all die Tausende ungeachtet starrender Bajonette ihre 3 Jahre lang geknechtete und unterdrückte Heimatliebe, ihre machtvolle Erregung und Bewegung zusammenklingen ließen in die unaufhaltsam hervorbrechenden Worte des Deutschlandliedes und der Wacht am Rhein". Immer aufs neue erscholl diese mächtige Bekenntnishymne zum deutschen Vaterlande -- und muß den fremden Unterdrückern, deren Vertreter bewaffnet, aber ohnmächtig und wehrlos unmittelbare Zeugen der herrlichen Kundgebung wurden, gezeigt haben, daß die deutsche Not ein neues deutsches Volk geschmiedet hat, an dessen einmütigem Widerstande sie noch zerschellen werden! - Die Last der Besatzung drückt jetzt ungeheuer schwer und droht alles zu vernichten --- aber unsere deutschen Brüder helfen uns ja --- und wir haben einen neuen, mächtigen Bundesgenossen für den Kampf: die langsam wiederkeimende Hoffnung, Hoffnung auf endliche Einigkeit und einmütigen Widerstand. -- Wir alle sind jetzt natürlich fleißig an unserer Arbeit und leisten, wie das in Anbetracht unserer immensen Arbeitsfreudigkeit bereits auf Prrima nicht anders zu erwarten war, Erstaunliches! Noch weitere 2 Jahre und ich hoffe, mich im Verein mit einigen anderen Ihnen als Referendar und Dr. juris vorstellen zu dürfen -- vorausgesetzt daß mein bedenklicher Optimismus nicht doch etwas ins Schwanken gerät bis dahin. Im Übrigen ist mit uns allen ziemlich alles beim Alten geblieben und wird hoffentlich so bleiben --- Ich schließe mit den aufrichtigsten Wünschen für Ihr augenblickliches und fernes Wohlergehen und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr stets ergebener Hans Dahs; von: Dahs, Hans an: Litt; Ort: Beuel a. Rh.