| Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Lieber hochverehrter Herr Litt,
nicht in erster Linie zolle ich heute dem Autor von "Individuum und Gemeinschaft", "Kant und Herder", der Einleitung in die Philosophie, den Zeit- und <...schriften> und den systematischen Spätwerken zur Anthropologie und <...ogie> meine Beweunderung, sondern dem maligen Manne und väterlichen Förderer. Sie waren uns Ausgestossenen von 1933 ein Trost, der Heimat Verwurf und Vorbild, der ausserordentlichen Welt ein Beweis, dass im Lande des Idealismus auch noch Nicht-opportunisten lebten. Sie waren mir 1932 ein väterlicher Freund: die Verleihung des Avenariuspreises durch die Sächsische Akademie der Wissenschaften, die erste Anerkennung meiner Arbeit, war Ihr Werk und diese Anerkennung blieb bis 1946 die einzige.
Aber diese Güte, Wärme und Weite des Blicks strahlt aus Ihrer ganzen weltfreundlichen Menschlichkeit. Sie haben, auch ein Rheinländer, die glückliche Natur geebrt und gepflegt, Tiefe ohne Qual zu finden und sichtbar zu machen, Ernst und Heiterkeit zu verbinden. Genie du Rhein: von Gottes und Goethes Gnaden.
Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen und uns allen ein kraftvolles <... cum dizuitate et invetate>, eine lange, fruchtbare Schaffenszeit gegen den Strom der Weltentfremdung und Herzensverarmung, der uns zu überfluten droht. Bleiben Sie uns noch lange Jahre ein Vorbild an Beherrschtheit, Offenheit, Gerechtigkeit und Mass; an all diesen Tugenden, die eine radikale Zeit nicht mehr kennt.
Mit herzlichen Grüssen und Wünschen zum Jahreswechsel verbleibe ich Ihr stets dankbarer, treu ergebener
Helmut Plessner; von: Plessner, Helmuth an: Litt; Ort: Den Haag |
