Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Sehr geehrter Herr Kollege!
Zunächst eine Tatsachen feststellung. Ihr Biref vom 8. Juni stellt nicht an mich die Frage, ob ich den Ausspruch von der "mit Recht diffamierten Biologie" getan habe - er behandelt diesen Ausspruch als ein Faktum. Und seitdem haben Sie unentwegt an der Behauptung festgehalten, eben dies sei meine Meinung und Behauptung.
Hier muß nun deutlich gesprochen werden. Die Frage, wie weit die Folgerungen gehen, die aus den Ergebnissen der Abstammungslehre zu ziehen sind, ob diese Folgerungen sich bis auf den Menschen als Subjekt, Selbst, Geistesträger und geschichtliche Potenz erstrecken, ist eine wissenschaftstheoretische Frage, die wie jedes ernsthafte wissenschaftliche Problem zwischen den Vertretern der beteiligten Wissenschaften erörtert werden muß. Die von meinem Institut veranstaltete Tagung hatte die Bestimmung, dieser Erörterung zu dienen. Hätte es sich bei den Auseinandersetzungen, die durch Sie in Gang gebracht worden sind, nur um diese Frage gedreht, so wäre alles in Ordnung. Aber es handelt sich um weit mehr.
Ich habe zu wiederholten Malen kategorisch erklärt, daß ich den fraglichen Ausspruch weder dem Wortlaut noch dem Sinn nach getan habe. Ich habe auch den Zusammenhang aufgezeigt, in dem das Wort "Diffamierung" - es wurde von einem aufgeregten Studienrat namens Schneider in die Debatte geworfen - gefallen ist. Sie halten es nach alledem für richtig, das Gegenteil zu behaupten, obwohl Sie nicht bei der Tagung zugegen waren, sondern sich auf die Berichte von Teilnehmern stützen - Teilnehmern, deren Kompetenz sich darin erweist, daß sie mir den wahrhaft irrsinnigen Ausspruch in den Mund legen, die Geographiestunde sei der Ort, den Menschen als Seele und Geist zu behandeln.
Auf alles dies habe ich Folgendes zu erwidern. Wenn ein Mensch, der sowohl was seine Wahrheitsliebe als auch was seine Fähigkeit zu klarem und unmißverständlichen Ausdruck des von ihm Gemeinten angeht, zu Zweifeln bisher keinen Anlaß gegeben hat - und das hoffe ich einstweilen von mir annehmen zudürfen - wenn ein solcher Mensch mit Bestimmtheit erklärt: das habe ich nicht gesagt, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil ich dergleichen nie gedacht habe: dann sollte zwischen Männern und zumal zwischen Kollegen die Angelegenheit damit erledigt sein. Hält statt dessen der andere Teil hartnäckig an der Behauptung fest: du hast es doch gesagt, dann ist damit der Boden der wissenschaftlich-kollegialen Diskussion verlassen und die menschliche Qualität des Angegriffenen in Frage gestellt. Das aber heißt die Möglichkeit eines sachdienlichen Gesprächs unterbinden. Denn hier fängt nun wirklich die "Diffamierung" an.
Es scheint mir daher geboten, die Diskussion, von deren Fortführung ich mir nichts versprechen kann, abzubrechen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
(gez.) Litt; von: Litt an: Koehler, Otto; Ort: Bonn |