Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Sehr geehrter Herr Professor!
Ich danke Ihnen für die Offenheit, mit der Sie in Ihrem Brief vom 20.7.55 Ihre Bedenken gegen unsere Eisenacher Tagung zum Ausdruck gebracht haben.
Ich darf Ihnen antworten, dass es auch mir und den Pädagogen des Schwelmer Kreises auf die Verwirklichung der Humanitätsideen ankommt. Ich weiss aber, dass in der vergifteten Atmosphäre des kalten Krieges eine humanistische Erziehung nicht möglich ist und trete deshalb unbeirrbar für Verständigung ein in der Gewissheit, dass durch die geistige Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, durch das Verstehensuch, Hören und Lernen voneinander die Selbstrevision möglich wird und mit ihr eine Annäherung. Für diese Besinnung und Wandlung zueinander könnte ich Ihnen aus unseren pädagogischen Ost-West-Diskussionen Beweise nenne, die Sie in Erstaunen versetzen würden. Dies ist ein schwerer, aber wahrhaft geistiger Weg, um in Deutschland zu einer Wiedervereinigung zu kommen und damit zum Neubeginn einer gemeinsamen nationalen Geschichte.
Da der Riss zwischen Ost und West mitten durch Deutschland geht, ist nach unserer Ansicht uns Deutschen die Aufgabe gestellt, die gegenwärtige Entfremdung durch ein neues Zueinander - Finden zu überwinden. Die Genfer Konferenz bestärkt uns in der Hoffnung, dass diese Aufgabe der Entspannung und Verständigung in den kommenden Jahren mehr und mehr erkannt, bejaht und der Erfüllung näher gebracht wird.
Mit hochachtungsvollem Gruss
Ihr sehr ergebener
gez. Fr. Helling; von: Helling, Fritz an: Litt; Ort: Schwelm / Westf. |