Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0333
TitelBrief von: Litt (Berlin) an: Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, Geschäftsstelle: Prof. Hörlein
Enthältms; Brief 2 Blatt A4 - wahrscheinlich Abschrift des Briefes
Zeitvon1952
Zeitbis1952
BemerkungenDokumentenabschrift: Sehr geehrter Herr Professor! Ich bin mir mit Ihnen darüber einig, daß mein für die Essener Tagung vorgesehener Vortrag abgesetzt werden muß. Allerdings ist die für mich maßgebende Begründung eine andere als die von Ihnen entwickelte. Es scheint mir sinnlos, daß ich in Essen meine einschlägigen Gedanken vortrage, weil der Zwischenfall, der zu Ihrer Absage geführt hat, schlagend beweist, daß 1. es unter den Vertretern der Naturwissenschaft nicht an solchen fehlt, die nicht im Stande sind, das von unsereinem Gesagte auch nur nach seinem elementaren Wortsinne zu verstehen, 2. man in Ihrem Kreise mir Meinungen und Äußerungen zutraut, die mich als einen hoffnungslosen Tölpel kennzeichnen würden. Es wird mir da von mehreren Teilnehmern der fraglichen Tagung die Behauptung in den Mund gelegt, "daß die Biologie mit Recht diffamiert sei". Und weder Sie noch einer der an der Sache interessierten Biologen halten es für nötig, mich darüber zu befragen, ob ich diesen Ausspruch, in dem Dummheit und Frechheit sich vereinigen würden, überhaupt getan habe. Ich stelle gegenüber dem besagten Gerücht in Kürze Folgendes fest: 1. Ich habe in der Diskussion mit Herrn Lorenz der von ihm vertretenen Wissenschaft meinen höchsten Respekt ausdrücklich bezeugt. 2. Ich habe deutlich ausgesprochen, daß sich dieser Respekt nicht auf diejenigen Aussagen der Vertreter dieser Wissenschaft erstreckt, in denen sie die methodischen Grenzen ihrer Wissenschaft in der Richtung auf diejenigen Wissenschaften überschreiten, die es mit dem Menschen als "Subjekt", "Selbst", "Person" zu tun haben. Ich habe, mit einem Worte, mich gegen den sog. "Biologismus" gewandt. 3. Von einer "Diffamierung" ist überhaupt nur in dem Zusammenhang die Rede gewesen, daß die Biologie durch den Mißbrauch, den die "Weltanschauung" des dritten Reiches notorisch mit ihr getrieben hat, in Verruf gebracht worden sei. Ist derjenige, der den Mißbrauch einer Sache als solchen kennzeichnet, ein Gegener dieser Sache? Daß ich dies und nur dies gesagt habe, dafür könnte ich Ihnen Reihen von Zeugen anführen. Aber das hat ja keinen Zweck, weil die Tatsache, daß so groteske Mißverständnisse und Entstellungen vorkommen können, bestehen bleibt, und diese Tatsache ist es, die auch mir die Fortführung der Zusammenarbeit unmöglich läßt. Übrigens ist in dem Ihnen zugesandten Büchlein auf S.224 ein Gedankengang entwickelt, der ohne weiteres erkennen läßt, daß ich die Biologie als selbstständige Wissenschaft nicht nur anerkenne, sondern auch gegen die Annexionsgelüste der Physik geschützt sehen möchte. Läßt das auf Verneinung dieser Wissenschaft schliessen? Ich darf Sie bitten, von diesem Schreiben den Mitgliedern des Ausschusses Kenntnis zu geben. Mit den besten Empfehlungen Ihr sehr ergebener gez. Litt; von: Litt an: Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, Geschäftsstelle: Prof. Hörlein; Ort: Berlin