Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Lieber Herr Grüters! Ach ja, die Prüfung. Sie haben mir freundlich ein Trostpflaster verabreicht, aber der Katzenjammer ist auch diesmal gross. Das Examen war deshalb besonders lehrreich, weil 1) ich diesmal mit dem Kollegen Behn gekoppelt war und 2) auf meine Bitte bei einem grossen Teil der Prüfungen assistierte.
Ad. 1 Dass bei dieser Art des Prüfens die Resultate glänzend ausfallen, ist kein Wunder. Der Prüfende redet unaufhörlich und der Kandidat fügt hin und wieder Zustimmungskundgebeungen ein. Zu eigenem Denken wird er nie genötigt. In mir kocht es bei dieser Prüferei. Die Beurteilung <...> der Arbeiten zeugt von skandalöser Urteilslosigkeit. Ich habe erreicht, dass in einer Reihe von Fällen die Prädikate herabgesetzt wurden. Ich habe auch Behn deutlich meine Meinung gesagt.
ad 2) Das Letztere ist es gerade, was tun sollte, aber factisch unterlässt. Er sieht, wie die Dinge stehen +), ist aber auch offenbar zu mürbe geworden, um einzugreifen. Ich habe ihm deutlich gesagt, dass m. E. "Prüfer" von solcher Art ausscheiden sollten. Auch von "Humanitäts"-Anwandlungen an falscher Stelle ist er nicht frei. Ich fühle mich nach wie vor, was meine Examenspraxis angeht, isoliert, mit all den Ihnen bekannten peinlichen Konsequenzen. Die Kandidaten, die infolge meiner Mitwirkung durchgefallen sind, wissen natürlich ganz genau, auf wessen Konto sie ihr Schicksal zu setzen haben.
Sie sind es gewohnt, von mir diese Lamentos zu hören. Sie kommen aus dem Herzen eines Menschen, dem die Verschlampung dieser Dinge tiefe Pein bereitet. Das nennt sich "Bildungs"-Anstalt! Hoffentlich sehe ich Sie bald einmal wieder. Alle guten Wünsche Ihnen und Ihren Lieben!
Stets Ihr Th. Litt; von: Litt an: Grüters, Otto; Ort: Bonn |