Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0277
TitelBrief von: Litt (Bonn) an: Grüters, Otto
Enthälths; Brief 1 Blatt A4 (Kopfbogen: Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bonn)
Zeitvon1950
Zeitbis1950
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Herr Grüters! Ich habe mit grossem Interesse die mir freundlichst zugesandten Statistiken Ihrer Kölner Prüfungen studiert. Lassen Sie sich nun zum Vergleich die Ergebnisse der Bonner Prüfungen, so wie sie bis Weihnachten vollendet waren, berichten. Ich prüfte zusammen mit Studienrat Rössler. Wir waren uns in der Beurteilung vollkommen einig. Ergebnis 16 Kandidaten. Bestanden: 9 1/2 (darunter 4 mit Gut) Durchgefallen: 6 1/2. nun die anderen Prüfungen: bei Hoffmeister - Dederich immerhin drei durchgefallen; bei den vier anderen Prüfenden aber (Behn, Thyssen, Barion, Funke) nur je einer durchgefallen. Für mich steht es nach dreimaliger Durchführung des Vorexamens fest: setzen wir auf die geistige Gesamthaltung der Studierenden des höheren Lehramtes (nicht auf die Fähigkeit des Auswendiglernens), dann muss etwa ein Drittel dieser Studierenden als unfähig zu geordnetem Denken und fehlerfreier Darstellung bezeichnet werden. Denn es müsste doch ein komischer Zufall sein, wenn gerade bei mir sich die besonders unbegabten angesammelt hätten. Wenn dieser Sachverhalt bei den anderen Prüfenden nicht zu Tage tritt, so kann das nur an der Art des Prüfens liegen. Auswendig zu lernen sind ja diese jungen Leute so wohl fähig als auch bereit. Und man kann eine Prüfung ohne Weiteres so anlegen, dass nur Gelerntes reproduziert zu werden braucht.- Ich ersehe aus diesem Ergebnis, dass unsere Düsseldorfer Sitzung, so weit Bonn in Betracht kommt, so gut wie wirkungslos gewesen ist. Es geht im altenStile weiter und es wird auch so weiter gehen. +) Ich ziehe daraus die Folgerung, dass ich das (seinerzeit vom Dekan zurückgehaltene) Emeritierungsgesuch endgültig einreiche. Ich bin dieser Sache im höchsten Grade überdrüssig; es ist zu niederdrückend, in meinem Alter die Rolle des Kandidatenwürgers zu spielen. Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen zum Feste diesen Klagebrief schreibe. Aber ich bin es nun einmal gewohnt, mich an Ihrem Busen auszuweinen, wenn diese leidige Angelegenheit mich wieder einmal zur Verzweiflung bringt. Ihnen und Ihren Lieben wünsche ich ein beschauliches Fest! Herzlichst Ihr Th. Litt +) N.B.: in den Doktorprüfungen ist es genauso oder noch schlimmer. Es ist einfach unglaublich, was bei uns an Doktorarbeiten produziert und von den Referenten angenommen wird. Ich habe schon wiederholt gegen die Annahme von Dissertationen protestieren müssen, die Rothacker und Behn angenommen haben. Darunter war eine, deren erster Satz bereits einen von beiden Referenten nicht gerügten groben grammatischen Feheler enthielt!; von: Litt an: Grüters, Otto; Ort: Bonn