Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Sehr geehrter Herr College!
Erlauben Sie, daß ich mich mit einer vertraulichen Mitteilung an Sie wende. Es ist mit von einem jüngeren Philosophen, der vor kurzer Zeit in Leipzig war, mitgeteilt worden, daß das Ministerium den von Herrn F. Krüger für den Lehrstuhl J. Volkelts vergeschlagenen Herrn (Max Wundt) zu acceptieren sich weigert und daß es die Arbeiten folgender Herrn zur Begutachtung eingefordert habe: Cassirer, Driesch, Scheler, Osterreich, Astern.
Ohne den regelmäßigen Gang der Dinge irgendwie beeinflussen zu wollen, möchte ich streng vertraulich, aber zu etwaiger Verwendung in der Fakultätssitzung Ihnen das Folgende mitteilen. (Ich tue es nur, da ich öfter wahrnahm, daß man über diese Dinge falsche Vorstellungen hegt.)
Ich bin prinzipiell durchaus bereit einen geeigneten Ruf von Köln weg anzunehmen, ja hätte es sogar aus vielen Gründen für erwünscht, von hier wegzukommen.
Der erste Grund besteht in der Kleinheit der für den Philosophen infrage kommenden Hörerschaft und in dem Mangel einer philosophischen Fachbibliothek. (Auch ging wegen der Bibliotheksverhältnisse wieder nach H. zurück). Die Studentenkategorien, die für den Philosophen in betracht kommen, sind hier nur spärlich vertreten. (Theologen, alte Philologen, Naturwissenschaftler, Kunsthistoriker etc.); es fehlen ja die Ordinarien für diese Fächer. Die <...> Institutionen der Handelshochschule werden hier nur schwer und langsam zu überwinden sein. Ich habe in 3stündigen Hauptkolegs durchschnittlich 100 - 130 Hörer; Driesch, der 400 hatte in Heidelberg noch weniger.
Der zweite Grund ist, daß meine hiesigen 3 Ämter, o. Professor für Philosophie, o. Professor für <...> und Direktorium vom Forschungsinstitut für <...wissenschaften>, ferner der Neuaufbau der Fakultät (<..> oft 3-4 stündigen F. Sitzungen) mir soweit zu tun geben, daß ich zu conzentrierter Arbeit an meinen Fächern kaum kommen kann. Das schmerzt mich bei <... ... ...> dieser Art tief und nimmt mir jede höhere Schaffensfreude. Daz kommt das fortwährende Bitten um Vorträge in Rheinland und Westfalen, ich nehme kaum 1/8 an - und die Verärgerung der Leute, wenn ich Alles abschlage.
Aber der wichtigste Grund ist mir der folgende: Sie wissen, daß ich keine sog. "Konfessionelle Professur" habe, sondern persönlicher freier Ordinarius bin. Trotzdem hat sich sich Kraft <... ... der ... ...> und der Tatsache, daß ich jene (nicht eine o. Professur) unter Mitwirkung der Centrumspartei erhielt, so etwas wie eine Legende gebildet, ich sei an erster Stelle ein "katholischer Philosoph". Diese Legende muß - da ich kath. Glaubens bin - bei dem ungewöhnlichen, von mir nie gesuchten Einfluß, den ich auf die <...> - katholische Welt ausübe, <... ... ...> dazu führen, daß man mich und meine Schriften <... ... und ... ... den ... der ...> Kirchenscholastik mißt. in diem Sinne gemessen aber bin ich an tausend Stellen meiner Philosophie fast so etwas wie ein Ketzer; jedenfalls gehe ich mit dem <...> sehr weit auseinander; bestreite z.B. die "Gottesbeweise", Gott als <"..."> (s. Ethik), bin betr. Seele u. Leib sog. "Trimarptist" etc. etc. Meine Ethik weicht tiefgehend von der kirchlichen ab, wie einmal sehr treffend gesagt. Dazu kommt, daß mich meine Entwicklung seit 2 Jahren immer mehr aus den kirchlichen abegestempelten Anschauungskreis herausführt und daß ich fürderhin als Philosoph mit besonderer Genauigkeit bestrebt sein werde, ein überconfessionelle <...> von religiösen Problemen gegenüber einnehme. Überhaupt arbeite ich seit einem Jahr wieder fast ausschließlich streng theoretisch, voraussetzungsfreie reine Philosophie. <...> Ansprüche der hiesigen katholischen Kreise an mich fühle ich mich stark gehemmt und zöge eine Stelle vor, wo <...> Schein, ein synd. "katholischer" Philosoph zu sein wegfällt. Auch möchte ich das Ohr der ganzen deutschen Jugend haben, nicht nur des "katholischen Volksteils" - ein Wort, das ich nicht leiden mag. Innere Entwicklungen rein persönlicher Art kommen dazu, die ich hier nicht schildern kann, aber mich gleichfalls danach verlangen lassen, dem katholischen Rheinland ferzusein. Auch der <...> Druck der Besatzung hemmt mich sehr und <...> mich von allen inneren <...> der geliebten deutschen Jugend ab.
Der Automatismus der kath. Organsiationen ist so stark, daß - gibt man nur den Finger - der ganze Mensch mit hinein gerissen würde, wenn er sich nicht kräftig wehrt. <... ... ... ... ... .... ... ... ..., ... ... ... ... " kath. Philosophen" umgehen zu werden, war ja sehr ....> Zuerst kamen die kath. Kreise zu mir - nicht ich zu ihnen (ähnlich wie bei Foerster in <... ...>). Man übersah geflissentlich all das, worin ich tief abweiche vom heutigen kath. Denken, da man mich gebrauchen wollte und mir mir <...>. Mehr und mehr aber wird dies zuerst von den katholischen Kreisen geschaffene schiefe Bild von mir "fordernd" gegenüber dem realen Urbilde. Ich soll nun auch ein ganz <...> "kath. Philosoph" sein - nur bin ich es nicht, wie man es will, so heißts <... ...> von mir, ich sei derjenige, der die Leute in die <...> geführt habe, es zu sein. (Sowie nämlich ein scharfer Gegenzug zu <... Philosophie ...>). Dabei haben sich die Leute "sim" getäuscht - nicht ich sie!
Das Alles beängstigt mich nur leicht <...> mir als <...>.
Dies veehrter Kollege, wollte ich Ihnen streng vertraulich mitteilen.
Mit ergebenen Gruß
Ihr Max Scheler,
Köln, Asbergplatz 2 A.
Klettenberg
herzliche Glückwünsche zu Ihrer Professur.
Mit den H. Krüger und Volkelt, <... ... ...>, können sie - aber der Bitte um Discretion - darüber sprechen.
Der erste Band des <...> im Menschen (<... Religions-...>) ist fast fertig gedruckt und erscheint <...> in Leipzig (Neuer ...verlag) (800 S.). Z.Z. bin ich an meiner Erkenntnislehre beschäftigt.; von: Scheler, Max an: Litt; Ort: Köln |