Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Lieber Freund!
Der große Tag ist ganz nahe und
erfüllt mich mit froher Empfindung.
Nur eine Trübung ist für mich dabei,
nämlich: daß ich am 27.12. nicht nach Bonn
kommen kann. Dem Feiertagsverkehr bin
ich nicht mehr gewachsen; auch nehme ich jetzt
wieder die angreifenden Mittel. Wir
müssen dann eine Nachfeier halten.
Herr Dr. Roeßler wird an Stelle
von Schmeil und mir das Buch über-
reichen, und Sie werden den Scherz
nachsichtig mitmachen. Aus dem Buch
werden Sie auch erfahren, was Sie wert
sind. "Es ist immer ein furchtbarer
Augenblick", sagt Goethe ungefähr, "wenn
ein junger Mann im Begriff steht,
über sich selbst aufgeklärt zu werden."
Näheres über Ihren Lebenslauf
erfahren Sie abends um 22.45 durch
den Südfunk. Das ist aber mehr für
die äußere Welt. Wenn Sie um
die angegebene Zeit ein gutes Glas
Wein vor sich haben, sollten Sie
nicht aufstehen, um auch nur den Knopf
zu drehen.
Es gibt noch eine dritte Stelle,
an der etwas gesagt wird, aber nur
ganz leise und nur zwischen uns
beiden. Eigentlich ist es von meiner
Seite nur das Eine Wort "Dank",
und dieser Dank gilt der Fülle von
Gutem, das durch Sie in mein Leben ge-
kommen ist. und Jahr für Jahr kommt.
Wollte ich ins Einzelne gehen, so ließe sich
da kein Ende finden. Zwischen Männern
bleibt die größte Freude und das tiefste
Leid unausgesprochen. Lassen Sie mich
auch heute nur sagen: "Ich weiß, was
hinter all dem Festesglanz liegt:" Drei
Begegnungen aber rufe ich Ihnen aber heute
doch in Erinnerung: die auf der Brücke in
Saarbrücken, die zu vieren in Wittenberg Ende 1944 und die im Hotel
Atlantic in Baden-Baden. --
Lassen Sie uns nun auch so weiter
gehen: ein bißchen asthmatischer, ein
Gläschen Wein weniger und ein wenig
behinderter in der Jasperschen Kommunikation
auf beiden Seiten! Was der liebe Gott mit
unsrer Gemeinsamkeit vorgehabt hat, das
hat er vollendet, und ich begehe Ihren Fest-
tag in stiller Andacht.
Ich grüße von Herzen Ihre liebe Frau,
in Dankbarkeit für alles, was sie für Sie,
lieber Freund, gelebt und gelitten hat.
Und meine Frau darf sich nun auch in das
Glückwünschen einmischen. Denn zum
Glückwünschen dieses ungelenken Briefes lassen
Sie mich sagen: "Wir vier feiern am
27.12. in stiller Ergriffenheit von dem
Übergütlichen, das durch Glück und Leid hindurch-
greift." Wir fünf - denn natürlich ist
Herr Rudolf mit eingeschlossen, der es mir
erlauben wird, daß ich ihn im Augenblick
wieder so sehe, wie ich ihn in der Beethoven-
str. zuerst gesehen habe.
Genug! Lassen Sie sich nur nicht erdrücken
von der Liebe, die am 27.12. zu Ihnen drängt!
Gehen Sie alle gesund in das Neue Jahr!
Ihre Eduard und Susanne Spranger
Wir sind zwischen 27. und 31.12. nicht hier (Wolfach, Hotel Krone).; von: Spranger, Eduard an: Litt; Ort: Tübingen |