Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0239
TitelBrief von: Spranger, Eduard (Tübingen) an: Litt
Enthälths; Brief Doppelblatt 13,3 x 18,4 cm
Zeitvon1950
Zeitbis1950
BemerkungenDokumentenabschrift: Lieber Freund! Wenn es nur nach dem Zuge meines Herzens ginge, so würde ich am 27. Dezem- ber nach Bonn kommen, um Ihren 70. Geburtstag persönlich mit Ihnen zu feiern. Aber ich traue mir den Kampf mit den Verkehrsverhältnissen des dritten Weihnachtstages nicht mehr zu, besonders, nachdem ich im August mit Fahrkarte II. Kl. von Bonn bis Mainz eingekeilt stehen mußte. So komme ich nur brieflich zu Ihnen und gebe mich im übrigen der Hoffnung hin, daß wir beide doch einmal eine stille Privatfeier werden haben kön- nen. Bei der Fülle derer, die Sie beglück- wünschen werden, bedeutet es für Sie viel- leicht eine Wohltat, wenn auch dieser Brief sich hinsichtlich der Ausdehnung in maßvollen Grenzen hält. Für den historischen Teil darf ich auf die Ledermappe verweisen, die man Ihnen übereichen wird. Das einzige Angebinde, was ich sonst für Sie habe: die Ihnen gewidmeten 5-6 Auf- sätze, ist ohne meine Schuld noch nicht fertig. Ich habe die letzten drei Tage noch eifrig daran gearbeitet und bei jedem Satz an Sie gedacht, wie der Schü- ler an den Lehrer, dessen strenge Kor- rektur ihn zur äußersten Sorgfalt ver- anlaßt. Ist somit vom Vergangenen schon gesprochen und das kleine Buch noch "zukünftig", so bleibt von der Ge- genwart allein zu reden. Zunächst: ich wünsche Ihnen eine beglückende Feier, ohne Deklamation, aber voll Liebe, Dankbarkeit und Wärme, wie sie nicht nur Ihre Schüler für Sie hegen, sondern z. B. auch ich. Möge sie aber auch so sein, daß Ihre verehrte liebe Frau Gemahlin, die ja in allem mitgefeiert wird, davon nicht zu große An- strengung hat! Wenn man sich früher ausgemalt hat, wie man gegebenenfalls durch das schöne Ziel des 70. Geburtstages gehen würde, so hat man vielleicht die Wunden nicht so vorausgesehen, die man unterwegs emp- fangen würde. Zum Schmerz Ihrer Freu- de ist das Schicksal mit Ihnen mehrfach hart umgegangen, und es sind Stunden dabei, die man nicht vergessen und nicht verwinden kann, wie man etwa den Weggang von Leipzig verschmerzen könnte. Daran <...> wir heute leicht: Man hat begriffen, daß das alles zum Leben gehört. Der 70. ist kein Jubeltag. Aber er darf bei ihnen doch als ein Siegesfest begrüßt werden. Sie haben die schönsten Tri- umpfe in der Wissenschaft erzielt; Sie haben das deutsche Volk als stets aufrechter Mah- ner geführt, Sie haben unzähligen Schülern bei dem Aufbau ihrer geistig-sittlichen Welt geholfen. Nun erlauben Sie mir, unbescheiden genug ein Viertes hinzuzu- fügen: Sie haben ein paar Freunde gewonnen, die auf Sie stolz sind und sich ihren eigenen Weg nicht ohne Sie denken können, nicht ohne das Licht und den Reichtum, den Sie in das Dasein des Freundes hineingebracht haben. Deshalb, um ein Beispiel zu nennen, ist am 27. XII auch in der Rumelinstr. 12 ein Festtag voll Freude und Dankbarkeit. Wir beide hier grüßen mit bewegtem Herzen Ihre liebe Frau, Herrn Referendar Rudolf und den Jubilar mit den herzlichsten Wünschen für viele Jahre des Schaffens und Schenkens! Ihre getreuen Eduard u. Susanne Spranger.; von: Spranger, Eduard an: Litt; Ort: Tübingen