Bemerkungen | Dokumentenabschrift: Lieber Herr Litt!
Im Widerspruch zu meiner persönlichen <...> in solchen
Dingen habe ich Ihren heutigen siebzigsten Geburtstag im letzten Augenblick aus den
Augen verloren und finde ihn heute zu spät in meinen Merkzetteln wieder. Im
Stillen habe ich ihn freilich längst vorausgenommen, etwa auf den vielen <... ... ...
...> der letzten Wochen, wenn ich mich fragte, wer nun eigentlich in den zweiunddreißig Jahren, seit wir zusammen Glieder des Königlichen Ministeriums des geistlichen, Unterrichts- und
<...alangelegenheiten> waren und am Ende dieser <...> die Kathatrophe erlebten, die uns
heute harmlos erscheint, verglichen mit dem, was uns jetzt , und die uns doch wohl im
Herzen schwerer traf, als Alles seither, weil wir auf dergleichen überhaupt nicht innerlich vor-
bereitet waren - wer in diesen Jahren den Wechselfällen der Zeit gegenüber die Haltung,
die , das tapfere und gerechte Wort jederzeit gefunden habe, die menschlicher
und wissenschaftlicher Charakter einerseits und <...> und Hülflosigkeit unserer Lehrer und
Hörer, unserer Zeit andererseits in diesen Jahrzehnten mehr von uns erworben und fordern
<...>, als jemals. Wer außer Ihnen - wer mindestens so wie Sie? Mutig, ja
trotzig, provozierend geradezu ist Mancher <...> 8und bis 1933 war es so billig) -
sorgfältig und gerecht erwogen und abgewogen hat im Stillen auch so Mancher - aber
Beides in Einem, im gleichmäßigen ruhigen Anspruch <...> der Wesemtliches, Entscheidendes
zu der uns aufgegebenen Auseinandersetzung mit unserer geschichtlichen, sozialen, geistigen
Lage zu sagen hat, und stets zu seiner Zeit und im rechten Maß, peinlich bekümmert
um dies Maß, und gänzlich unbekümmert und das ihn etwa dabei Bedrohende:
das ist Ihnen einzigartig geschenkt gewesen. Ich kann mich auf keinen besinnen,
den Sie nicht in dem <...> Ebenmaß dieser Haltung, ihrer unfehlbaren
Angemessenheit, bei allem Ernst und aller Wucht, übertroffen hätten. Dafür werden
Ihnen heute auch Unzählige gedacht haben, und es ist mir ein tiefer Kummer, nicht
rechtzeitig dabei gewesen zu sein (obwohl Dr. Roessler mir dazu sogar rechtzeitig noch einen besonderen Weg eröffnet hatte). Aber immerhin darf ich es Ihnen auch heute noch
sagen, wie verpflichtet ich mich Ihnen weiß, nicht nur für das, was ich von Ihrer
wissenschaftlichen und zumal methodisch zu lernen versucht habe (das habe ich Ihnen ja, wenn
auch noch so unzulänglich, auch öffentlich bezeugt), sondern für den Halt, der Sie in schweren
Zeiten für mich gewesen und seitdem geblieben sind. In den aufeinander folgenden
Abwertungen der meisten unserer ethischen Währungen ist die Schrift und gültig
geblieben: wir halten in unserer Zeit, aber <...> auch wie wichtig, und wie hülf-
reich!
Zu einer von allerlei kaum überstandenen <... ...>
Stunde gelingt mir kein dem <...> recht entsprechendes Wort - an dem mir doch
so gelegen wäre , nach viel zu vielem Schweigen in meinen letzten Jahren der
Geschichte und der Zersplitterung. Ich lasse es nun dabei. Nehmen Sie es, verspätet
und unzulänglich, doch in alter freundschaftlicher Gesinnung auf!
Mit den herzlichsten und <...> Wünschen und Grüßen von
Haus zu Haus
stets in alter dankbarer Verbundenheit Ihr
R. Smend; von: Smend, R. an: Litt; Ort: Göttingen |