Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0465
TitelBrief von: Jaensch ?, E. (Marburg) an: Litt
Enthältms; 1 Blatt 21 x 33 cm
Zeitvon1934
Zeitbis1934
BemerkungenDokumentenabschrift: Sehr verehrter Herr Kollege Litt! Wie ich höre, besteht für Ihre Fakultät die Gefahr, dass Sie als Nachfolger von Driesch möglicherweise Martin Heidegger bekommen. Ich bin kürzlich von den Kollegen Krieck und Walz, (Rektor in Breslau) aufgefordert worden, über Persönlichkeit und Philosophie Heideggers ein Gutachten abzugeben, weil er sich mit Hilfe seiner zahlreichen Hintermänner auch auf den leitenden Posten der geplanten Dozentenakademie drängt. Ich habe dieses Gutachten nun auch Herrn Krueger übersandt, und würde gar nichts dagegen haben, es vielmehr begrüssen, wenn auch Sie in dasselbe einmal einen Einblick nähmen. Ich will hier gar nicht davon reden, welches Unheil Heidegger unter den Studenten anrichtet, indem er gerade die grössten Wirrköpfe unter ihnen anzieht, die das unverständliche, teilweise beinahe schizophrene Gefasel, wie eine abgrundtiefe Weisheit nachplappern. Darüber habe ich mich in den beiliegenden Drucksachen vorläufig ausgesprochen, namentlich in der langen Fussnote des Vorworts der Schrift " Anlage und jugendliches Seelenleben. Krieck will demnächst ein besonderes Heft seiner Zeitschrift "Volk im Werde" herausgeben, um dem Heideggerunwesen entgegenzutreten, und hat mich aufgefordert an anderer Stelle in entsprechender Weise vorzugehen. Hier will ich nur betonen, dass Sie einen Kollegen bekämen, der unangenehmer, unbequemer, taktloser gegenüber den nächsten Fachgenossen überhaupt nicht gedacht werden kann. Das Debut würde darin bestehen, dass alle übrigen Fachgenossen von seinem Katheder aus heruntergerissen und namentlich wie dumme Jungen lächerlich gemacht würden, so wie er es hier mit Rudolf Otto Rickert (seiner damals besonders beliebten Zielscheibe) und mir gemacht hat. Dass dies eintreffen wird, dafür gebe ich Ihnen jede Bürgschaft. Sie dürfen sich durch abweichende Urteile nicht irremachen lassen. Wie es zu ihnen kommt, ist wohl verständlich. Heidegger arbeitet einerseits mit einer plumpen bäuerlichen Agressivität. andererseits aber auch mit einer sehr raffinierten Diplomatie. Diese besteht darin, sich einige Kollegen ganz fest zu verbinden um dann an ihnen eine verlässliche Stosstruppe zu haben, wenn er "gegen" irgend etwas in der Fakultät vorgehen will. Als Revolutionär um jeden Preis, dem das Widersprechen und Revolutionieren Selbstzweck ist, ist er fast "gegen" alles, besonders gegen alles Vernünftige! In unserer Fakultät bildete der jetzige 150%ige Nationalsozialist Heidegger mit den nichtarischen Kollegen Jacobsthal und Friedländer einen solchen ganz festen Dreibund. Wenn Sie meine hiesigen Kollegen fragen, so werden Sie nur eine Stimme der Verwunderung darüber hören, dass Heidegger jetzt zu uns Nationalsozialisten gekommen ist. Denn er hat hier in jeder Beziehung das Gegenteil |= von dem vertreten, was wir wollen und was er jetzt vertritt. Mit den besten kollegialen Empfehlungen Ihr Ihnen sehr ergebener gez. E. |= In diesem Sinne würde Ihnen z.B. unser Anglist Deutschbein Bescheid geben, der eines unserer eifrigsten Fakultätsmitglieder ist und die Vorgänge in der Fakultät mit am besten kennt.; von: Jaensch ?, E. an: Litt; Ort: Marburg