Bestand:Privatarchiv Litt, Theodor
SignaturNA Litt, Theodor B 1-0049
TitelBrief von: Brockhaus, Max (Schloss Dahlen (Sa.)) an: Litt
Enthälths; Brief Dopplblatt 14,7 x 20,9 cm
Zeitvon1944
Zeitbis1944
BemerkungenDokumentenabschrift: "Sehr verehrter Herr Professor! Nicht ahnend, ob Sie in Leipzig sind oder wo sonst, wie es Ihnen und Ihrer veehrten Frau Gemahlin ergangen sein mag, richte ich diesen Brief in die Beethovenstraße. Ob sie noch existiert? Ich habe mich eines Auftrages zu entledigen. Herr von Nostiz-Wallwitz hatte noch am Tage vor der Katastrophe meine Frau gebeten, ihm Schriften von Ihnen zu schicken, denen er großes Interesse entgegenbringt. Ich glaube, es handelt sich um die uns <...> vor einem halben Jahr zugesandte Broschüre, deren Inhalt wir zum Teil aus Ihren Vorträgen kannten, ferner um Ihren Beitrag im 2. Heft von <...> Br. Nun sind wir beide nicht in der Lage mehr, unsere Exemplare an Herrn von N. zu schicken, ist doch unsere gesamte Bibliothek mit allem andern verbrannt. Wenn Sie irgend ein Heft übrig haben, ev. nur leihweise abzugeben, so schicken Sie es gütigst an S. Exz. U. <...meister> a.D. Alfred v. Nostiz-Wallwitz in Schloss Bessenheim b. Koblenz. Nostizens waren mit uns am 3.12. Mittags im Hotel Sedan zusammen, mit Tilmanns und am Nebentisch Elly Ney u. Strab. Nachher kam noch der Botschafter Luther. Sie sind noch lebend aus dem Haus gekommen. Dass kein Bewohner der Salomonstr. 17 umkam, erscheint uns ein Wunder. Ausser , der sich ja einen Knöchelbruch zuzog, blieben alle unverletzt. Meine arme Frau bekam dann am 15.12. eine schwere Lungenentzündung in Falkenhain b. Wurzen, kam aber für Weihnachten ausser Lebensgefahr und ist seit vorgestern - wegen Platzmangels (!) vorzeitig aus dem Wurzener Krankenhaus wieder nach Falkenhain gebracht worden. Dort ist sie in guter Pflege, Dr. Korff - der Sohn Ihres Kollegen - ist durchaus vertrauenswürdig. Meine Tochter ist mit den Kindern hier mit mir, ganz besonders liebevoll bei ihrer Cousine Frau von aufgenommen. Ich muss in ihrer Nähe sein aus geschäftlichen Gründen und pendele zwischen Dahlen, Wurzen und Falkenhain einher. Unser Verlag, meine Lebensarbeit, ist vernichtet, aber die zum Wiederaufbau notwendigen Stücke waren geborgen und nun gehen wir wieder ans Werk. Die Hauptschwierigkeit ist dabei die ständige Ungewißheit ob und wann sich die Zerstörungen wiederholen werden. Ein Schicksalsgenosse aus Hamburg schickte mir soeben abschriftlich einige Gedichte von Reinh. Schneider. Drei davon habe ich in einigen wenigen Stücken kopieren lassen und lass ich Ihnen hierbei zugehen. Noch komme ich garnicht dazu, unser Unglück in vollem Maße zu fassen. Die ununterbrochene Sorge um die nächste Stunde, angefangen von der um den Kragenknopf bis zum Leben meiner Frau und die weitere Zukunft nimmt mich ganz in Anspruch und auch zu Weihnachten und Silvester waren wir zu feige, um mit klaren Augen zurückzublicken; sie wären wohl doch durch Thränen geheilt worden! Am 4.12. Nachm. sollte unser acht Wochen alter Enkel getauft werden. Die Festtafel war gedeckt und unserer Kinder neu <...ketes> Heim über unseren Räumen sollte eingeweiht werden - da bekam das Bübchen eine Feuertaufe. In einer grossen <...> die meine Tochter hatte, nahm er Teil am Marsch durch Sturm, Feuer und stürzende Mauern, neben ihm sein Vater, an seiner Hand die sechsjährige tapfere Schwester, hinterher die Großeltern: ich ohne Hut und Starbrille!! Dann 11 St. Bunker und <...> Rettung in einem Arztauto nach Gaschwitz, drei Tage darauf nach Dahlen. Zwischen Weihnachten und Neujahr wurde dann Ferdinand im Glanze der Christbaumlichter in Dahlen getauft. - Ich hatte nicht die Absicht gehabt, Ihnen alles das zu erzählen, aber - wann und wo werden wir uns wiedersehen? Wir wollen, sobald das Haus in frei ist, nach dort übersiedeln. Was willst auf dieser Station, noch breit dich niederlassen? Wie bald bläst doch der Postillon, du mußt doch alles lassen singt Pfitzner mit Eichendorff. Herzlichste Grüße Ihrer verehrten Frau Gemahlin! Ihr Max Brockhaus"; von: Brockhaus, Max an: Litt; Ort: Schloss Dahlen (Sa.)